Radsport-WM 2025 in Ruanda: Premiere in Afrika

Straßenrad-Weltmeisterschaft erstmals auf dem Kontinent

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.
Auch bei der ITB Berlin warb Ruanda stolz für die Straßenradsport-Weltmeisterschaft.
Auch bei der ITB Berlin warb Ruanda stolz für die Straßenradsport-Weltmeisterschaft.

Als »unvergesslichen Moment« sowohl für Afrika als auch den Radsportweltverband UCI bewarb dessen Präsident David Lappartient die Welttitelkämpfe im Vorfeld. Lappartient selbst hat sich seit seiner Wahl zum UCI-Chef stark für diese Premiere eingesetzt: Er ermunterte Ruanda zur Bewerbung und verlangt vom Gastgeber weniger als die üblichen 13 Millionen Euro Veranstaltergebühr. Die UCI fange Einnahmeverluste bei dieser WM durch ihren soliden Haushalt auf, hieß es aus ihrem Hauptquartier im Schweizer Aigle. »Wir feiern in Afrika auch den 125. Geburtstag der UCI. Das war mein Traum, seit ich gewählt wurde. Und jetzt kann ich stolz sagen, dass genau das passiert«, verkündete Lappartient.

Diese WM, die am Sonntag mit den Einzelzeitfahren startet, verspricht, aus vielerlei Gründen sehr speziell zu werden. »Die Begeisterung für den Radsport ist riesig. Schon bei der Tour du Rwanda herrschte tolle Stimmung. Jetzt werden aber auch noch die Radsportfans der Nachbarländer kommen und aus komplett radsportverrückten Nationen wie Eritrea«, freut sich Adrien Niyonshuti auf die WM. Er war Ruandas erster Radprofi und wurde im legendären Projekt »Africa Rising« ausgebildet. Deren einstiges Trainingszentrum in den Bergen im Norden Ruandas ist heute noch das Hauptquartier des Verbandes.

Niyonshuti wurde dann Profi bei MTN Qhubeka, dem Pionierrennstall Afrikas. Inzwischen gibt der 38-Jährige in seiner eigenen Radsportakademie im westafrikanischen Benin sein Wissen weiter. »Ich will, dass der gesamte Kontinent von unserem Know-how profitiert«, sagt er »nd«. Niyonshuti hält die WM in Ruanda für eminent wichtig und hofft, dass sie ein Katalysator für die Entwicklung des afrikanischen Radsports insgesamt sein werde.

Die Schubkraft der Weltmeisterschaft stößt allerdings an ihre Grenzen. Aufgrund des Qualifikationssystems des Weltverbands können nur wenige afrikanische Nationen überhaupt Fahrer ins Straßenrennen der Männer bringen. »Wir haben keinen einzigen Startplatz«, sagt Niyonshuti über die beninische Delegation, mit der er in seine Heimat zurückkehrt. Und die einst starke Radsportnation Südafrika, die in früheren Jahren mit Etappensiegen und Platzierungen unter den ersten Zehn der Gesamtwertung bei der Tour de France geglänzt hatte, darf wie auch Mauritius und Algerien nur einen Starter stellen. Gastgeber Ruanda wurden immerhin sechs Plätze zugesprochen. Eritrea kann dank der vor allem von Superstar Biniam Girmay erzielten UCI-Punkte sowie dem Extrastartplatz für Afrikameister Henok Mulubrhan sieben Fahrer ins Rennen schicken. Alle anderen afrikanischen Nationen gehen bei der Heim-WM leer aus.

»Schuld ist hier auch der afrikanische Verband. Wir haben viel zu wenige Rennen auf dem Kontinent, um UCI-Punkte zu sammeln. Einen durchgehenden Wettkampfkalender vom Frühjahr bis Herbst wie in Europa haben wir gar nicht«, klagte Niyonshuti. Obgleich das Problem schon länger bekannt ist und die WM bereits 2021 nach Ruanda vergeben worden war, tat sich danach in diesem wichtigen Bereich wenig bis gar nichts. Die nur spärlichen Wettkampfmöglichkeiten steigern natürlich auch nicht die Motivation im Training.

Nach dem Ende von MTN Qhubeka und deren Nachfolgern wie Dimension Data ist der Weg in die WorldTour für afrikanische Talente zusätzlich steiniger geworden. Das liege vor allem daran, dass in Europa jetzt schon im frühen Teenageralter gescoutet werde. »Schon die 14-, 15- und 16-Jährigen werden beobachtet, kommen dann in die Juniorteams und mit 19 in die Entwicklungsmannschaften der Rennställe«, sagt Jens Zemke, einst sportlicher Leiter von Niyonshuti bei MTN Qhubeka und aktuell Trainer der deutschen Nationalauswahl, zu »nd«. Den Weg nach Afrika aber scheuen die Scouts. Die Hürden für afrikanische Talente auf dem Weg in den europäisch dominierten Spitzensport wachsen dadurch wieder in die Höhe. So wird es noch schwerer, Legenden wie Bergtrikotträger Daniel Teklehaimanot oder dem mehrfachen Tour-Etappensieger Biniam Girmay aus Eritrea nachzueifern.

Rein organisatorisch dürfte Gastgeberland Ruanda die WM immerhin zu einem Erlebnis machen – nicht nur, was die Anfeuerung seitens der Fans anbelangt: Auch die Infrastruktur ist gut ausgebaut. Erfahrung gibt es durch die Ausrichtung der alljährlich stattfindenden Tour du Rwanda.

Politisch allerdings liegen dunkle Schatten über dem Event. Ruanda ist massiv in den Krieg um Bodenschätze im Nachbarland, der Demokratischen Republik Kongo, verwickelt. So massiv, dass das Europäische Parlament im Februar eine Resolution verabschiedete, in der es forderte, die WM an einen anderen Ausrichter zu verlegen, solange sich Ruanda Friedensverhandlungen verweigert.

Mittlerweile gibt es Friedensverhandlungen in Katars Hauptstadt Doha. Sie werden aber immer wieder durch Kampfhandlungen gestört. Letztes Wochenende etwa eroberte die kongolesische Armee die Stadt Shoa in der Provinz Nord-Kivu. Kurz darauf besetzte die gegnerische von Ruandas Militär unterstützte M23 aber erneut die Stadt, die sich auf kongolesischem Territorium befindet.

Dass es am Rande der WM Proteste gegen diesen Krieg geben wird, so wie jüngst gegen den Gaza-Krieg während der kürzlich zu Ende gegangenen Spanienrundfahrt, ist sehr unwahrscheinlich. Ruandas Sicherheitskräfte sind bekannt dafür, politischen Dissens massiv zu unterdrücken. UCI-Sportdirektor Peter Van Den Abeele versicherte dem belgischen Branchendienst »Sporza« auch: »Wir werden dafür sorgen, dass es bei der WM nicht zu solchen Aktionen kommt.« Dazu seien bereits präventive Vereinbarungen mit Gastgeber Ruanda getroffen worden.

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