CDU: Kein autofreies Berlin und keine Koalition mit Linken

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schließt sein Regieren mit »Antisemiten« und »Polizeihassern« aus

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Tritt am Samstag von der Bühne im Gasometer ab, aber bleibt CDU-Landesvorsitzender: Kai Wegner.
Tritt am Samstag von der Bühne im Gasometer ab, aber bleibt CDU-Landesvorsitzender: Kai Wegner.

Mit der AfD werde seine Partei niemals regieren, verspricht Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Samstag bei einem Landesparteitag im Gasometer. Er sagt es genau ein Jahr vor der nächsten Abgeordnetenhauswahl und meint: »Diese Nachricht ist keine Überraschung.« Die Delegierten klatschen auch nur mäßig. Begeisterungsstürme löst dagegen aus, was der Politiker danach erklärt: »Ich schließe jede Zusammenarbeit in einer Regierung mit der Linkspartei aus.«

Früher habe er das immer inhaltlich begründet, sagt Wegner. Er nennt ein Beispiel: Die Linken befürworten die Enteignung von Immobilienkonzernen mit mehr als 5000 Wohnungen in der Stadt. Dafür ist Wegner nun überhaupt nicht – trotz Wohnungsnot und horrender Mieten, die sich teils selbst Familien der Mittelschicht kaum noch leisten können, wie Wegner weiß und zugibt. Doch Enteignungen würden angeblich das Problem nur noch verschärfen, weil das Investoren verschrecken würde. »Mit mir wird es Enteignungen niemals geben«, versichert der Regierende Bürgermeister.

Mehr Wohnungen bauen, auch am Rande des einstigen Flughafens Tempelhof, das soll die Lösung sein – ungeachtet dessen, dass ein Volksentscheid 2014 die vollständige Freihaltung des Tempelhofer Feldes durchsetzte. Wie sollte er sonst Mietern im Bezirk Lichtenberg erklären, fragt Wegner, dass bei ihnen zusätzliche Blöcke in die Innenhöfe gesetzt werden müssen und damit Spielplätze und Grünflächen verschwinden, während das Tempelhofer Feld unberührt bleibt.

Doch solche Pläne sind es nun nicht mehr allein, die Wegners Distanz zur Linken begründen sollen. Er sagt: »Die Entwicklung der Linkspartei in den letzten Jahren macht mir Sorgen.« Sie radikalisiere sich in einer Geschwindigkeit, die er nicht für möglich gehalten hätte. Wegner spricht von einem Polizeihasser im Bundestag und meint damit offensichtlich den Abgeordneten Ferat Koçak (Linke). »Sie treiben das Spiel der Antisemiten mit« und laden Verharmloser der palästinensischen Hamas ein, schimpft Wegner über eine umstrittene Veranstaltung im Bezirk Neukölln. Mit so einer »antisemitischen, polizeifeindlichen« Linken sollte eigentlich keine Partei eine Koalition bilden, meint der 53-Jährige.

Er denke auch an die Kinder im Gazastreifen, beteuert Wegner. Sie sterben durch Bomben der israelischen Luftwaffe. Aber man dürfe nicht vergessen, wer die Verantwortung dafür trage – »einzig und allein die Terroristen der Hamas«, die bei einem Anschlag am 7. Oktober 2023 rund 1200 Menschen töteten. Mit 258 Stimmen der Parteitagsdelegierten wird Kai Wegner als CDU-Landesvorsitzender bestätigt. Es gibt 26 Gegenstimmen und drei Enthaltungen.

Ottilie Klein wird mit 175 zu 110 Stimmen bei drei Enthaltungen erneut zur Generalsekretärin der Berliner CDU gewählt. Schatzmeister Jan-Marco Luczak berichtet, der Landesverband habe ein Jahr vor der Wahl knapp zwei Millionen Euro flüssig, bei den Kreisverbänden seien es zusammen mehr als drei Millionen. 12 410 Mitglieder zähle die Berliner CDU – gut 600 mehr als vor zweieinhalb Jahren, als Kai Wegner der erste Regierende Bürgermeister der CDU seit Eberhard Diepgen wurde. Diepgen hatte 22 Jahre zuvor im Zuge einer Bankenaffäre abtreten müssen und ist am Samstag im Gasometer zugegen.

Mit Kai Wegner sei noch nicht alles gut geworden in der Hauptstadt, aber vieles schon viel besser, bildet sich die CDU ein. Als Beispiel dafür schwärmt Wegner, dass er heute online einen Termin im Bürgeramt bereits in der kommenden Woche buchen könnte. In anderen Städten und Gemeinden benötigen die Einwohner gar keinen Termin, wenn sie beispielsweise einen Reisepass beantragen wollen. Sie können einfach hingehen und kommen innerhalb von fünf Minuten dran.

Wahr ist: Jahrelang war es in Berlin so, dass Bürger gar keine Termine erhielten oder monatelang warten mussten, um in irgendeinem Bürgeramt in der Stadt dranzukommen – und sei es auch sehr weit weg von dem Viertel, in dem sie wohnen. Heute noch wäre der aktuell nächste Termin im Bürgeramt Prenzlauer Berg erst am 13. November zu bekommen – es sei denn, der Betroffene kann nachweisen, dass sein Anliegen dringend ist. Doch selbst dann muss er sich einige Tage gedulden.

Grund zum Selbstlob bietet der CDU schon die eher nicht so rühmliche Tatsache, dass Berlins Bildungswesen in einem Ranking der Bundesländer Platz 11 von 16 einnimmt. Früher allerdings rückte die Hauptstadt höchstens mal von 16 auf 15 vor und fiel bald wieder zurück.

Was mit Kai Wegner neben Enteignungen nicht zu machen ist: Die von einem Volksbegehren geforderte autofreie Innenstadt. Eine Initiative für mehr Bäume sei dagegen im Prinzip in seinem Sinne. Er versichert: »Wir wollen mehr Grün in dieser Stadt. Nicht mehr Grüne, mehr Grün!«

Gegenwärtig stellen die Grünen sechs von zwölf Bezirksbürgermeistern, die CDU stellt vier. Dieses Verhältnis würde Kai Wegner gern umgekehrt sehen, wenn in einem Jahr neben dem Abgeordnetenhaus auch die Bezirksverordnetenversammlungen gewählt werden.

In der jüngten Befragung im September stand die CDU bei 25 Prozent, gefolgt ausgerechnet von AfD und Linke mit je 16 Prozent und den Grünen mit 15 Prozent. Kai Wegeners Koalitionspartner SPD lag bei 13 Prozent, das BSW bei 7 Prozent.

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -