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Thüringen: Konflikt um Altersabminderungsstunden bahnt sich an
In Thüringen soll es weniger Unterichtsausfall geben – zulasten älterer Lehrer?
Um den Unterrichtsausfall an den staatlichen Schulen in Thüringen zu reduzieren, denken die Verantwortlichen in der Brombeer-Landesregierung offenbar über etwas nach, das sich schnell zu einem handfesten Konflikt mit Lehrer-Vertretern auswachsen dürfte, sollten sich diese Überlegungen konkretisieren: Änderungen bei jenen Regelungen, die Lehrern sogenannte Altersabminderungsstunden gewähren. Diese Regelungen führen dazu, dass ältere Lehrer seltener vor Schülern stehen als ihre jüngeren Kollegen.
Ein starkes Indiz dafür, dass es innerhalb der Landesregierung entsprechende Planspiele gibt, ist, dass das Thüringer Bildungsministerium auf die explizite Nachfrage hin nicht ausschließt, dass dort derzeit Überlegungen angestellt werden, an diesem Privileg für Lehrkräfte etwas zu verändern. Das Ministerium erarbeite derzeit weitere Maßnahmenpakete zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls und zur Entlastung der Lehrer, sagte ein Sprecher von Bildungsminister Christian Tischner (CDU). »Dazu befinden sich derzeit eine Vielzahl von Maßnahmen in der Prüfung.« Das Ministerium wolle diese Maßnahmen vorstellen, »sobald die notwendigen Prüf-, Beteiligungs- und Entscheidungsprozesse abgeschlossen sind«. Ein Dementi, dass es solche Überlegungen gibt, ist das nicht.
Lehrer erhalten Abminderungsstunden aus einer Vielzahl von Gründen. Bei den Pädagogen, denen sie auf Grundlage des geltenden Landesrechts gewährt werden, reduziert sich dadurch zwar nicht ihre wöchentliche Arbeitszeit. Sie müssen aber weniger sogenannte Pflichtstunden erbringen, in denen sie tatsächlich Schüler unterrichten. In der so frei werdenden Zeit sollen die Lehrer dann andere Dinge tun, die für den Schulalltag wichtig sind. Schulleiter zum Beispiel erhalten Abminderungsstunden – die dann Anrechnungsstunden heißen –, weil sie Verwaltungs- und Koordinationsaufgaben übernehmen. »Lehrkräfte mit Schwerbehinderung oder ältere Kolleginnen und Kollegen erhalten personengebundene Abminderungsstunden, um ihre Gesundheit langfristig zu schützen und ihre Erfahrung möglichst lange in die Schulen einzubringen«, sagte der Sprecher des Ministeriums.
Während die Abminderungsstunden etwa für Schulleiter, für Beratungslehrer oder auch gesundheitlich beeinträchtigte Lehrer relativ unumstritten sind, wird seit Jahren immer wieder darüber gestritten, ob es noch zeitgemäß ist, lebensälteren Lehrern pauschal Altersabminderungsstunden zu gewähren. Nach Angaben des Ministeriums können in Thüringen derzeit alle Lehrer eine Abminderung um bis zu zwei Pflichtstunden bekommen, wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet haben. Die auf diese Weise gewonnene Zeit können sie – jedenfalls in der Theorie – etwa zur Kontrolle von Klassenarbeiten oder zur Unterrichtsvorbereitung nutzen.
Wie viele Unterrichtsstunden wegen dieser Altersregelung jedes Jahr in Thüringen ausfallen, ist nicht abschließend klar. Es gibt im Ministerium allerdings eine Schätzung. »Grob geschätzt bewegt sich die Höhe der Altersabminderungsstunden rund um die 10 000-Stunden-Grenze, verteilt auf alle knapp 800 staatlichen Schulen«, sagte der Sprecher Tischners.
Dass es Altersabminderungsstunden in möglichst großem Umfang für Lehrer gibt, war in der Vergangenheit für Personalräte ebenso wie für Gewerkschafter immer ein zentrales Anliegen. Versuche, die entsprechenden Regelungen zu ändern, waren deshalb stets auf Widerstand von Lehrervertretern gestoßen.
Entsprechend wenig erfreut reagiert nun auch die Thüringer Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Kathrin Vitzthum, darauf, dass es offensichtlich entsprechende Überlegungen innerhalb der Landesregierung gibt. Zwar sei die GEW auch bei diesem Thema »immer gesprächsbereit«, sagte Vitzthum. Allerdings hätten Lehrer bei der Altersabminderungen zuletzt bereits Zugeständnisse gemacht, die nicht nicht zur Freude der Pädagogen ausgefallen seien. Vor allem seien dafür versprochene, andere Ausgleiche für die hohe Arbeitsbelastung der Lehrer nicht eingehalten worden.
Vitzthum fürchtet, dass sich dieses Muster nun wiederholen soll: »Mein Eindruck ist, dass zwar wiederum Entlastungen versprochen werden, die Lehrkräfte diese jedoch mit Verzicht auf Abminderung bezahlen sollen«, sagte Vitzthum. »Das wird es so mit uns nicht geben.« Ältere und schwerbehinderte Lehrer müssten geschützt werden, damit sie länger in ihrem Beruf arbeiten könnten. Zudem gebe es Abminderungen für Lehrkräfte in allen Bundesländern, wenn auch in unterschiedlichen Varianten.
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