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Trump erklärt Antifa zu Terror
US-Präsident setzt Feldzug gegen seine Kritiker fort
Es ist exekutiert: US-Präsident Donald Trump hat »die« Antifa als inländische terroristische Organisation eingestuft. Seiner Ankündigung von vergangener Woche folgte der Vollzug. In der vom Weißen Haus veröffentlichten Anordnung heißt es im ersten Absatz, die Antifa sei »ein militaristisches, anarchistisches Unterfangen, das ausdrücklich zum Sturz der Regierung der Vereinigten Staaten, der Strafverfolgungsbehörden und unseres Rechtssystems aufruft«. Die Anordnung droht mit »Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen« gegen diejenigen, die sie finanziell unterstützen.
US-Rechtsexperten zweifeln die Wirkung der Anordnung an: Die Bezeichnung »inländische terroristische Organisation« sei in der US-amerikanischen Gesetzgebung nicht vorhanden. Der Schutz der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit durch den ersten Verfassungszusatz würde wahrscheinlich jeden Versuch des Kongresses verhindern, ein Gesetz zu erlassen, das es der Regierung erlaubt, inländische Gruppen als terroristische Organisationen einzustufen.
Antifa ist eine Ideologie
Laut »New York Times« hat die US-amerikanische Strafverfolgungsbehörde FBI aufgrund dieser Bedenken in der Vergangenheit Neonazi-Organisationen wie die »Atomwaffen-Division« in Ermittlungen als kriminelle Vereinigung behandelt statt als terroristische. Trump hatte schon 2020 eine ähnliche Ankündigung getätigt, aber es folgten keine konkreten Schritte. Außerdem ist »die« Antifa keine hierarchische Organisation mit ersichtlichen Strukturen, geschweige denn festen Geldflüssen. Antifa ist vielmehr eine politische Ideologie oder politische Subkultur, die keinen Anführer, kein Hauptquartier oder ein gemeinsames Bankkonto hat.
Die Anordnung kommt inmitten einer breiten Kampagne von Trump, seine Kritiker und politischen Gegner mundtot zu machen. Diese Kampagne erreichte ihre vorläufige Spitze mit der Instrumentalisierung der Tötung des rechten Aktivisten Charlie Kirks. Trotz dieses bekannten Kontextes wird in der Anordnungserklärung der Fall Kirk nicht explizit erwähnt.
Neben der Kriminalisierung der Antifa kündigte Trump in den vergangenen Tagen an, auch die Aktivitäten und Finanzierung von NGOs und Stiftungen zu prüfen, wie etwa die als progressiv geltende Ford Foundation.
Trotz der vermutlichen Wirkungslosigkeit der Anordnung haben die Drohungen Trumps schon eine internationale Dimension erreicht: In den Niederlanden hat das Parlament einen Antrag des Rechtspopulisten Geert Wilders angenommen, ein Verbot der Antifa zu erwägen – mit Bezug auf das Vorhaben Trumps. Die Antifa störe regelmäßig Veranstaltungen, wende Gewalt an und bedrohe Politiker*innen. Dass zwei Tage später ein rechtsextremer Mob im Rahmen einer Anti-Migrations-Demonstration in Den Haag Polizeiwagen anzündet und Parteibüros angreift, lässt trotz Wilders Distanzierung von der Gewalt den Antrag politisch zweifelhaft aussehen. In Ungarn hat Viktor Orbán in einem Interview ebenfalls angekündigt, hart gegen antifaschistische Strukturen vorzugehen.
Internationale Vernetzung der Rechten schreitet voran
Es besteht berechtigter Grund zur Sorge um antifaschistische Strukturen: Die internationale Vernetzung der extremen Rechten scheint so lebendig wie noch nie in der Nachkriegszeit zu sein. Was dem »Alt-Right«-Propagandameister und Ex-Trump-Berater Steve Bannon durch seine bekannten Europareisen nie wirklich gelungen ist, hat die Instrumentalisierung der Tötung des US-Aktivisten Charlie Kirk im Handumdrehen erreicht. Nicht erst seit gestern ist durch geschickte Nutzung sozialer Medien, Meme-Kultur und Anti-Woke-Kampagnen ein globales rechtsextremes Ökosystem entstanden, das sich nicht mehr an nationale Grenzen hält. Kirk war Teil davon, und gerade deswegen multipliziert sich die Symbolkraft seines Todes ins Unermessliche.
Den Rechtsextremen gelingt es aktuell, eine gemeinsame Opfermythologie zu verbreiten, die bis weit in die gesellschaftliche Mitte hineinwirkt: »Wir wissen, dass sie uns nicht töten, weil wir Faschisten sind; sie nennen uns Faschisten, damit sie uns töten können«, sagte Santiago Abascal, der Anführer der rechtsextremen spanischen Vox auf der Konferenz der Patrioten Europas »Viva Europa 25« in Madrid. Die Verwandlung Kirks in eine Art Che-Guevara-Figur der Rechten markiert eine neue Phase. Die extreme Rechte entwickelt damit auch eine Ikonografie, die Menschen, und vor allem Jugendliche, weltweit anspricht.
Die internationale Linke steht nun vor der Herausforderung, ihre Kräfte über die Grenzen hinweg zu vereinen und dem Faschismus des 21. Jahrhunderts den Kampf anzusagen. Die Politik der Ausgrenzung der extremen Rechten – so notwendig sie auch ist – hat sich leider erschöpft und zu einem Bumerang entwickelt. Dies reicht einfach nicht aus. Es braucht eine ebenso globale, vernetzte und offensive Strategie.
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