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Keine Weichenstellung
Die Bahn setzt künftig auf Hauptstrecken, ländliche Regionen verlieren noch mehr den Anschluss
Die Deutsche Bahn setzt mit dem Fahrplanwechsel im Dezember Prioritäten. Mehr Pünktlichkeit ist vom Staatskonzern jedoch nicht zu erwarten – davon hat sich auch Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) inzwischen verabschiedet. Unrealistische Hoffnungen will er offenbar gar nicht erst wecken.
Der Fokus liegt künftig auf dem Fernverkehr: Auf den Hauptachsen wird das Angebot verbessert, internationale Verbindungen werden ausgebaut, und das Buchen von Tickets ins europäische Ausland soll einfacher werden. Das könnte Bahnreisen etwa nach Frankreich oder Großbritannien künftig attraktiver machen.
Doch der neue Fahrplan hat auch Schattenseiten: Weil die Bahn ihr Streckennetz neu strukturiert, entfallen einige Direktverbindungen – darunter etwa die Verbindung von Hamburg nach Wien. Auch Lübeck verliert den Anschluss an das Fernverkehrsnetz, und in Kiel werden Einschränkungen spürbar sein. In Thüringen wird das ICE-Angebot ausgedünnt, weil sich bestimmte Strecken durch das Deutschlandticket nicht mehr rechnen. Von einem neuerlichen Kahlschlag, wie zuletzt unter Berufung auf ein internes Konzernpapier befürchtet wurde, kann aber keine Rede sein.
Das heißt allerdings nicht, dass das Angebot zufriedenstellend ist. Vor allem im ländlichen Raum bleiben große Lücken bestehen. Der einst vollmundig beworbene »Deutschlandtakt« – ein dichtes, landesweites Fahrplankonzept nach Schweizer Vorbild – ist in weite Ferne gerückt. Auch der neue Fahrplan bringt keine Annäherung an diese Vision. Tatsächlich ist der Rückbau längst Realität: Nur noch rund 70 Prozent des Streckennetzes aus den 1950er Jahren sind heute erhalten. Viele Nebenstrecken liegen inzwischen brach.
Über Jahrzehnte wurde die Schiene im Autoland Deutschland vernachlässigt – zugunsten der Straße, die deutlich umweltschädlicher ist. Heute stößt die Bahn mit dem verbliebenen Netz bei Sanierung und Instandhaltung längst an ihre Grenzen. Das ist unübersehbar. Ein grundlegendes Umdenken in der Verkehrspolitik bleibt aus. Dabei wäre dies dringend nötig, denn insbesondere der Verkehrssektor verpasst die deutschen Klimaziele regelmäßig. Auch das geplante Sondervermögen für die Infrastruktur dürfte die strukturelle Schieflage kaum beheben. Eine echte Mobilitätswende ist weiterhin nicht in Sicht.
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