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Friedensplan für Gaza: Vollmundige Versprechen
Donalds Trumps Pläne für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern werden die Erwartungen nicht erfüllen können
US-Amerikanische Präsidenten ziehen gerne »Friedenspläne« aus der Tasche, wenn sie sich etwas näher mit dem Nahen Osten beschäftigen. Das suggeriert Entscheidungsfreude und Durchsetzungkraft, macht Eindruck vor der Weltöffentlichkeit, insbesondere vor der mit den USA verbandelten westlichen Welt, die sich häufig vorgaukeln lässt, das, was »Experten« in Washington ausbaldowert haben, müsse der große Wurf sein.
Der deutsche Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) tut jedenfalls ganz optimistisch, spricht im Zusammenhang mit Donald Trumps Friedensplan von einem Momentum. »Und das muss man verantwortungsvoll nutzen, und dazu muss man Beiträge leisten«, diktierte er den Journalisten in New York in die Aufnahmegeräte.
Steckt in den 21 Punkten von Trumps Plan tatsächlich mehr als eine ambitionierte Zukunftsvision, die nach den Interessen der USA und Israels geformt ist? Man muss dies anzweifeln. Allein schon der Umstand, dass ein der Lüge überführter ehemaliger britischer Premier wie Tony Blair die Aufsicht über eine mit Palästinensern besetzte Technokratenverwaltung des Gazastreifens übernehmen könnte, hat den Geruch neokolonialer Machtprojektion, die eher nach »Mandatsgebiet« riecht als nach palästinensischer Souveränität. Man traut den Palästinensern eben nicht zu, dass sie selbst wissen, was richtig für sie ist: zu unerfahren, zu radikal, zu korrupt, zu religiös – schlicht ungeeignet.
Dagegen zeichnet sich Blairs Nahost-Expertise vor allem dadurch aus, dass er 2003 rund 45 000 britische Soldaten mit wehendem Union Jack in den Irak einmarschieren ließ und dort den Tod von zehntausenden Menschen mitverschuldete – basierend auf der weltbekannten Lügengeschichte, Iraks damaliger Machthaber Saddam Hussein horte Massenvernichtungswaffen, die gegen den »Westen« gerichtet seien. Den Rest kennen wir. Nach Ende seiner Amtszeit gestand Tony Blair unumwunden ein, den Krieg gegen den Irak um jeden Preis gewollt zu haben, weil er von seiner Richtigkeit überzeugt gewesen sei.
Doch das ist der Nahost-Expertise nicht genug: Als Sondergesandter des sogenannten Nahost-Quartetts ab Juni 2007 vermengte Tony Blair sein Amt mit privaten Geschäftsinteressen. Das kann man auch Korruption oder Vorteilsnahme nennen, genau das, was der Palästinensischen Autonomiebehörde immer wieder vorgeworfen wird. In seiner Funktion als Nahost-Gesandter war Blair offiziell dazu angehalten, den Aufbau palästinensischer Institutionen und die wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen sowie als Verbindungsmann für Reformen in den Bereichen Regierungsführung und Sicherheit zu fungieren. Das Ergebnis sieht dürftig aus. Praktisch nichts hat er unternommen, um die illegale Ausweitung der israelischen Siedlungen und die Gewalt der Siedler zu stoppen oder die palästinensische Staatlichkeit voranzutreiben.
Der Trump’sche Plan ähnelt in vielen Punkten anderen Vorstößen aus der Vergangenheit für eine angebliche Friedenslösung, aber alle sind das Versprechen schuldig geblieben, den Palästinensern wie versprochen zum vereinbarter Zeitpunkt die Verantwortung für ihr eigenes Schicksal zu übertragen. Diese Gefahr ist auch beim 21-Punkte-Plan groß: Wer steht dafür ein, dass nach der fünfjährigen Übergangsverwaltung die Regierungsgewalt tatsächlich an eine dann »reformierte« Palästinensische Autonomiebehörde übergeben wird? Donald Trump, der gestern von einer »Riviera im Gazastreifen« fantasierte, heute Frieden verspricht und morgen vielleicht die Palästinenser nach Ägypten und Jordanien umzusiedeln gedenkt? Oder die Europäische Union beziehungsweise ihre Mitgliedsstaaten?
Das war schon so nach den Osloer Verträgen, die die Palästinenser mit nichts in der Hand zurückgelassen haben. Einen eigenen Staat sollten sie kriegen, bekommen haben sie ein immer schärferes Besatzungsregime, weitere völkerrechtswidrige Siedlungen auf dem Land, das dereinst Territorium des Staates Palästina sein sollte, und als De-facto-Regierung eine Autonomiebehörde, deren demokratische Legitimierung schon lange verloren gegangen ist und die in Sicherheitsfragen nolens volens mit der Besatzungsmacht zusammenarbeitet.
Was von Israel zu erwarten ist, wird immer dann deutlich, wenn sein Premierminister spricht. In seiner skandalösen und mit Falschinformationen gespickten Rede vor der UN-Vollversammlung ging Benjamin Netanjahu auf mögliche Übergangslösungen für den Gazastreifen überhaupt nicht ein. Dabei geisterten Umrisse von Trumps 21-Punkte-Plan schon durch die Medien. Stattdessen warnte er, dass von der islamistischen Hamas weiterhin eine Gefahr für Israel ausgehe und es deshalb »den Job« gegen die Hamas fortsetzen und »so schnell wie möglich beenden« müsse. Ob Trump ihn vom Gegenteil überzeugen kann?
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