Trumps neuer Gaza-Plan

Der US-Präsident will Israels Premier zum Frieden drängen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.
Israelische Angriffe auf Gaza-Stadt dauern an: Rauch steigt auf im Stadtteil Tel Al-Hawa nach Bombardements der israelischen Armee.
Israelische Angriffe auf Gaza-Stadt dauern an: Rauch steigt auf im Stadtteil Tel Al-Hawa nach Bombardements der israelischen Armee.

Der eine hat einen Friedensplan, der andere will sich das Westjordanland einverleiben. Beides passt nicht zusammen. Wer also wird nachgeben, wenn sich an diesem Montag nach 18 Uhr (Ortszeit, kurz nach Mitternacht in Berlin) US-Präsident Donald Trump und der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu in Washington treffen? Die Zusammenkunft verspricht, interessant zu werden. Netanjahu steht innenpolitisch unter dem Druck seiner rechtsextremen Koalitionspartner und der Siedlerbewegung. Sie drängten Netanjahu, Teile des besetzten Westjordanlands zu annektieren und Kriegshandlungen im Gazastreifen nur nach einer kompletten militärischen Niederlage der islamistischen Terrororganisation Hamas einzustellen, berichtete die »Times of Israel«.

Der rechtsextreme israelische Polizeiminister Itamar Ben Gvir schrieb auf der Plattform X, Netanjahu habe kein Mandat dafür, den Krieg ohne einen absoluten Sieg über die Hamas zu beenden. Finanzminister Bezalel Smotrich hat nach Angaben des israelischen TV-Senders N12 drei Schlüsselforderungen mit Blick auf Trumps Plan gestellt: Die Palästinensische Autonomiebehörde dürfe keine Rolle spielen, die Hamas müsse vollständig entwaffnet werden, und Israel müsse Teile des Westjordanlands annektieren, ohne einen palästinensischen Staat anzuerkennen.

Trump hatte zuletzt zwar erklärt, dass er es Israel nicht erlauben werde, sich das Westjordanland einzuverleiben, das einmal Kernland eines palästinensischen Staats sein soll. Doch sind Gewaltmaßnahmen gegen Israel seitens der US-Regierung nur schwer vorstellbar, sollte die israelische Regierung sich Trumps Willen entgegenstellen.

Der arabische Fernsehsender Al-Arabiya hat den Trump’schen Friedensplan mit den 21 Punkten einsehen können. Demnach umfasse er unter anderem folgende erste Schritte: sofortige Beendigung der Feindseligkeiten in Gaza; bedingungslose Freilassung aller Geiseln; Freilassung tausender palästinensischer Gefangener, darunter 100 bis 200 mit hohen Haftstrafen; ungehinderte Einfuhr humanitärer Hilfe durch internationale Organisationen und die Uno; Schließung der Gaza Humanitarian Foundation; Einsammlung aller Waffen der Hamas durch eine internationale arabische Truppe innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens; Begnadigung von Hamas-Mitgliedern, wenn sie sich bereit erklären, ihre Waffen abzugeben und den Gazastreifen zu verlassen.

Die Hamas soll den Berichten zufolge bei der künftigen Verwaltung des Gazastreifens keine Rolle mehr spielen. Stattdessen soll das Gebiet von einer Übergangsregierung verwaltet werden, zusammengesetzt aus palästinensischen Technokraten, aber unter Aufsicht eines neuen internationalen Gremiums, das von den USA in Abstimmung mit arabischen und europäischen Partnern eingerichtet wird. Dies soll den Rahmen für die Finanzierung eines Wiederaufbaus des weitgehend zerstörten Gazastreifens bilden, bis die Palästinensische Autonomiebehörde ein Reformprogramm umgesetzt hat. Was das genau bedeuten soll, ist offen.

Die Hamas hat den US-Friedensplan nach eigenen Angaben noch nicht erhalten, soll einem Bericht der israelischen Tageszeitung Haaretz zufolge prinzipiell aber zugestimmt haben, angeblich gedrängt von Katar. Auch eine Zustimmung zur Einrichtung einer palästinensischen Technokratenregierung hat die Miliz in der Vergangenheit schon signalisiert. Doch hatte die Hamas-Spitze auch immer wieder klargemacht, dass eine Entwaffnung nicht infrage komme.

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge könnte der ehemalige britische Premierminister Tony Blair (72) die Leitung der Aufsicht über die Übergangsregierung übertragen bekommen, unterstützt von der Uno sowie der Golfstaaten. Wie zuerst »The Economist« berichtete, ist eine international unterstützte »Gaza International Transitional Authority« zunächst für fünf Jahre geplant und soll die »oberste politische und rechtliche Behörde« für den Gazastreifen sein, bevor die Kontrolle über das Gebiet an die Palästinenser übergehe. Blair war von 1997 bis 2007 Regierungschef des Vereinigten Königreiches und zuletzt an Gesprächen im Weißen Haus beteiligt, sein Büro äußerte sich bislang nicht zu den Berichten. In seine Amtszeit als britischer Premierminister fällt auch die mit Lügen gerechtfertigte völkerrechtswidrige Invasion des Irak durch die USA und Großbritannien.

Für die derzeitige Palästinensische Autonomiebehörde scheinen die Tage somit gezählt. Doch noch übt sie weiter eingeschränkte Regierungsgewalt im Westjordanland aus. Finanziell steht ihr das Wasser bis zum Hals: Die israelische Regierung zieht gemäß dem Pariser Protokoll von 1994 Steuern im Namen der Palästinensischen Autonomiebehörde ein, doch nach dem Ausbruch des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 hat sie die Weiterleitung von Geldern eingefroren.

Frankreich, Spanien und zehn weitere Länder wollen die unter akuter Geldnot leidende Palästinensische Autonomiebehörde daher finanziell unterstützen. Die Koalition sei »als Reaktion auf die dringende und beispiellose Finanzkrise« gegründet worden, mit der die Palästinensische Autonomiebehörde konfrontiert sei, erklärte das spanische Außenministerium am Freitag.

Unterstützt wird das Vorhaben neben Frankreich und Spanien auch von Großbritannien, Japan, Saudi-Arabien, Belgien, Dänemark, Island, Irland, Norwegen, Slowenien und der Schweiz. Nach Angaben des Büros des Ministerpräsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mohammad Mustafa, hätten die Geber mindestens 145 Millionen Euro zur Finanzierung der Palästinensischen Autonomiebehörde zugesagt.

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