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SPD verliert Dortmund nach 79 Jahren
Ministerpräsident Wüst sieht Nordrhein-Westfalen als »Schrittmacher« für die Union in Deutschland
Der letzte und bislang einzige CDU-Politiker, der je in Dortmund als Oberbürgermeister amtierte, war Herbert Scholtissek. Er regierte vom April 1946 bis zum Oktober desselben Jahres. Seitdem wurden in der Ruhrgebietsstadt immer wieder Sozialdemokraten gewählt. Herbert Wehner gab der Metropole den in letzter Zeit überstrapazierten Beinamen »Herzkammer der Sozialdemokratie«.
Damit ist es nun vorbei, bei der Stichwahl am Sonntag setzte sich der CDU-Kandidat Alexander Omar Kalouti knapp gegen den sozialdemokratischen Amtsinhaber Thomas Westphal durch. Ganz überraschend kam die Niederlage des Sozialdemokraten nicht. In der ersten Runde der Kommunalwahlen hatte Westphal 27 Prozent der Wähler*innen von sich überzeugen können, Kalouti nur 17 Prozent. Für die Stichwahl war dieser dann aber vom wirtschaftsnahen und weit nach rechts offenen Kandidaten Martin Cremer unterstützt worden. Cremer, der im Wahlkampf ziemlich derbe gegen die Stadt gepoltert hatte, war am Abend der ersten Wahlrunde von Noch-Oberbürgermeister Westphal als »Gespenst aus dem Süden mit dem Geldadel« beschimpft worden. Lokal führte das zu Debatten, in denen der Sozialdemokrat Westphal bezichtigt wurde, die Gesellschaft zu spalten.
Alexander Kalouti, der bislang als Pressesprecher des Theaters Dortmund arbeitet, bespielte im Wahlkampf klassische CDU-Themen wie Sicherheit und Ordnung. Zum Dauerthema wurde etwa der Standort eines Drogenkonsumraums in der Innenstadt, gegen den sich der CDU-Mann aussprach. Welche Bedeutung die Union dem Erfolg beimisst, wird daran deutlich, dass Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst noch am Abend das Dortmunder Rathaus besuchte, Alexander Kalouti beglückwünschte und davon sprach, dass NRW »der Schrittmacher für starke Wahlergebnisse der CDU in ganz Deutschland« sei.
Die Vorsitzende der SPD-NRW Sarah Philipp nannte die Niederlage in Dortmund »schmerzhaft und bitter«, sprach aber insgesamt von einem Wahltag mit »Licht und Schatten«. Schließlich können die Sozialdemokrat*innen auch noch Wahlen gewinnen, und zwar nicht irgendwelche. In Nordrhein-Westfalens einziger Millionenstadt Köln ist zukünftig der Sozialdemokrat Torsten Burmester der Chef im Rathaus. Er war bis zu seiner Oberbürgermeisterkandidatur Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes gewesen, davor hat er eine Karriere im politischen Apparat gemacht, war unter anderem persönlicher Referent von Gerhard Schröder und Abteilungsleiter in verschiedenen Landesministerien. In Köln folgt Burmester auf die parteilose Amtsinhaberin Henriette Recker, die nicht noch einmal angetreten war. Die Sozialdemokrat*innen sind froh, nach zehn Jahren wieder den Oberbürgermeister von Köln stellen zu können.
»Das ist schmerzhaft und bitter.«
Sarah Philipp Vorsitzende SPD-NRW
Verloren hat die Wahl in Köln Berivan Aymaz. Die Grünen-Politikerin ging mit 28 Prozent der Stimmen noch als Siegerin aus der ersten Runde der Kommunalwahl. Im Stechen setzte sich nun aber Burmester mit 53 Prozent durch. Der Sozialdemokrat war dabei auch von der CDU unterstützt worden.
Für die Grünen war die Niederlage in Köln nur eine von zahlreichen Enttäuschungen. Bei den Wahlen 2020 waren sie selbst oder von den Grünen unterstütze Kandidat*innen in Aachen, Bonn und Wuppertal gewählt worden. Der Wuppertaler Oberbürgermeister Uwe Schneidewind trat nun gar nicht zur Wiederwahl an. Die Stadt im Bergischen wird künftig von einer Sozialdemokratin regiert. In Aachen und Bonn machten sich die Grünen allerdings Hoffnungen die Rathäuser zu verteidigen. Das gelang in beiden Fällen nicht. Die Amtsinhaberinnen Sibylle Keupen und Katja Dörner unterlagen ihren jeweiligen Konkurrenten von der CDU.
Einen größeren Erfolg durften allerdings auch die Grünen am Sonntagabend feiern. Mit fast 58 Prozent gewann Tilman Fuchs die Stichwahl in Münster. Die Universitätsstadt gilt schon lange als Hochburg der Grünen, 1997 wurde dort mit Hubert Wimber zum ersten Mal ein Grüner Polizeipräsident. Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer, das Vorsitzendenduo der NRW-Grünen, gratulierten Fuchs am Sonntag zu einem »fantastischen Ergebnis«. Ohnehin bemühte sich die Partei, die wenigen Erfolge nach vorne zu stellen, die sie hatten. Die umfassen auch Bürgermeister in den Kleinstädten Telgte, Emsdetten, Nettetal und Monschau. Mit ihnen wolle man »den Weg des Fortschritts und Aufbruchs« in NRW »konsequent« fortsetzen.
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Abbruch und Untergang sind die Botschaften einer Partei, die bei den Stichwahlen ganz besonders im Blick war: die AfD. Die extrem rechte Partei hatte es in den Großstädten Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen in die Stichwahlen geschafft, außerdem im rheinischen Bergheim. Alle vier Abstimmungen gingen nun aber deutlich verloren. Am stärksten Schnitt die Partei, wie schon vor zwei Wochen, in Gelsenkirchen ab, wo sie 33,1 Prozent der Stimmen erreichte. In den anderen Städten war sie noch deutlich schwächer. Erfolge für die AfD bei den Oberbürgermeisterwahlen galten allerdings auch als extrem unwahrscheinlich. Die SPD- und CDU-Kandidat*innen die gegen die AfD antraten, waren zuvor von mehreren anderen Parteien durch Wahlaufrufe unterstützt worden.
Bei der AfD selbst sieht man die Niederlagen entspannt. Landeschef Martin Vincentz erklärte gegenüber dem WDR: »Die Wahl war nur eine Zwischenetappe. In fünf Jahren erobern wir die Rathäuser«. Der Gelsenkirchener Oberbürgermeisterkandidat Norbert Emmerich hofft derweil im neuen Rat auf Mehrheiten. Beim Thema Sauberkeit sei man »einer Meinung« mit SPD und CDU, er wolle gucken, »ob wir uns da einig werden«.
Für die Suche nach Mehrheiten mit der AfD gibt es in ganz Nordrhein-Westfalen nur sehr vereinzelte Befürworter. Dennoch werden die Verhältnisse in vielen Räten nun komplizierter. Auch durch die Stichwahlen vom Sonntag. Bestehende Ratsbündnisse treffen teilweise künftig auf Oberbürgermeister*innen, die nicht den entsprechenden Parteien angehören. In anderen Städten werden Koalitionen mit einzelnen Parteien prinzipiell ausgeschlossen. Vielorts ist die Rede davon, dass man themenspezifische Mehrheiten suchen wolle.
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