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Schluss mit Schwarz-Weiß
Das Denken über Osteuropa muss sich ändern, meint Daniel Säwert
Moldau hat gewählt. So weit, so normal. Oder auch nicht, wenn man den Worten Maia Sandus glauben darf. Mal sprach die Präsidentin von einer »richtungsweisenden«, mal von der »wichtigsten Wahl der Geschichte«. Das allerdings gelte für jede Wahl, winken die Menschen in Moldau ab.
So unspektakulär die Parlamentswahl war, an hochtrabenden Zuschreibungen hat es ihr nicht gefehlt. Es gehe um eine Zukunft in Europa oder Russland, wurde Sandu nicht müde zu betonen. Die jeweiligen Adjektive ziehen sich wie ein roter Faden durch den Wahlkampf und dürfen in den Schlagzeilen am Montag nicht fehlen.
Niemand hat es in den vergangenen Wochen so sehr verstanden, das kleine Moldau in den Kampfplatz zwischen Ost und West, zwischen Gut und Böse zu verwandeln, wie Maia Sandu. Und niemandem hat das so sehr in die Hände gespielt. Wer Sandu nicht gefiel, wurde als russlandfreundlich diffamiert, selbst wenn das nicht stimmte. Egal, beweisen musste sie es ja nicht. Gleichzeitig stilisierte sich die Präsidentin zur Galionsfigur der goldenen Zukunft.
Dieses Schwarz-Weiß-Denken, das im Westen nur allzu gerne übernommen oder gar vorangetrieben wird, muss ein Ende haben. Denn es trübt den Blick auf das wirkliche Geschehen. Sandu hat mit schmutzigen Tricks hantiert, wie man sie eigentlich aus Russland kennt. Hat unter anderem vielen Menschen das Recht genommen, überhaupt zu wählen. Dafür gibt es viele Probleme, wie hohe Preise und eine schwache Wirtschaft, die den Menschen das Leben schwer machen und die Sandu nicht in den Griff bekommt. Da nützt auch alles Europa-Gerede nichts.
Am meisten überdeckt die Kampfkategorisierung aber einen Fakt: Auch wenn Russland Nachbar bleibt, ist Moldau schon längst auf dem Weg Richtung »Europa«. Und das schon seit der Unabhängigkeit. Auch ohne Sandu und ihre Polemisierung.
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