Die Champions League des Wahnsinns

Der FC Barcelona empfängt Paris Saint-Germain in der Champions League – da war doch mal was?

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Großer Jubel beim FC Barcelona über den späten Siegtreffer. Auch ein Deutscher war entscheidend beteiligt: Schiri Deniz Aytekin.
Großer Jubel beim FC Barcelona über den späten Siegtreffer. Auch ein Deutscher war entscheidend beteiligt: Schiri Deniz Aytekin.

Der Fußball ist verrückt und hat noch jeden in den Wahnsinn getrieben, der sich näher mit ihm beschäftigt, am liebsten seine glühendsten Verehrer. Das war immer so. 1954 in Bern, 1966 in Wembley oder 1970 in Mexiko. Das eigentlich Bemerkenswerte ist, dass es immer noch ein Stück verrückter, noch ein wenig wahnsinniger geht. Luis Enrique kann zu diesem Komplex eine schöne Geschichte beisteuern. Vielleicht hat er sie seinen Spielern erzählt auf dem Weg nach Barcelona, wo am Mittwoch die spektakulärste Vorstellung am zweiten Spieltag des europäischen Fußballzirkus gegeben wird.

Es duelliert sich der FC Barcelona mit Paris Saint-Germain. Der Fußballlehrer Luis Enrique hat mit beiden Klubs die Champions League gewonnen, beide Male übrigens in Deutschland. 2015 führte er Barça in Berlin zu einem 3:1 gegen Juventus Turin, und es liegt erst ein paar Monate zurück, dass PSG unter seinem Kommando den FC Internazionale mit 5:0 zurück nach Mailand schoss. Aber die Geschichte des Wahnsinns ist eine andere. Sie datiert vom März 2017 auf der bescheidenen Bühne des Achtelfinales und versprach vorab eher belanglos zu werden. PSG hatte im Pariser Prinzenpark 4:0 gewonnen und reiste nur noch aus protokollarischen Gründen zum Rückspiel nach Barcelona. Enrique dreht gerade seine Abschiedsrunde im Camp Nou, und niemand nahm ihn richtig ernst, als er am Abend vor dem Spiel sagte: »Warum sollten wir nicht sechs Tore schießen?«

Zirkus Europa

Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.

Barcelona ging früh durch Luis Suárez in Führung, aber das erst, als die Torlinientechnik dem Uruguayer zu Hilfe gekommen war. Auch nach Layvin Kurzawas Eigentor kurz vor der Pause sprach nicht allzu viel für ein Wunder. Erste Hoffnungen weckte Lionel Messi zu Beginn der zweiten Halbzeit per Elfmeter, den er vor allem der exklusiven Interpretation des deutschen Schiedsrichters Deniz Aytekin zu verdanken hatte. Als aber ein paar Minuten später Edinson Cavani für Paris traf, war die Luft eigentlich schon wieder raus. Drei Minuten vor Schluss fehlten Barça immer noch drei Tore zu dem von Enrique vorausgesagten halben Dutzend. Und dann nahm der Wahnsinn seinen Lauf.

Verantwortlich dafür war Neymar, ein heutzutage als Influencer erfolgreicher Brasilianer, der damals als Fußballer bekannt war. Erst zirkelte er einen Freistoß vom linken Strafraumeck ins Tor, dann verschaffte er mittels spektakulärem Flug durch den Strafraum dem Kollegen Suárez die Chance zu einem ebenso unberechtigten wie erfolgreich verwandelten Elfmeter. Da lief schon die Nachspielzeit, die auf fünf Minuten ausgedehnt wurde. Als auch dieser Rahmen annähernd ausgeschöpft war, kam wieder Neymar ins Spiel. Mit dem linken Fuß löffelte er den Ball in den Strafraum, wo aus dem Irgendwo Sergi Roberto auftauchte und zum finalen 6:1 traf. Danach war Schluss und Barcelona im Viertelfinale. Und PSG? Investierte gleich im folgenden Sommer fast eine halbe Milliarde Euro in Kylian Mbappé und – genau! – Neymar. Aber die Champions League gewann das von einem Scheich gesponserte Unternehmen erst, als die beiden schon wieder weg waren. Und Luis Enrique in Paris das Kommando übernahm.

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