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Radsport-WM: Die Hashimi-Schwestern fahren gegen das Regime
Die Radsportlerinnen Fariba und Yulduz Hashimi treten bei der Rad-WM für das andere Afghanistan an
Die Rad-WM in Ruanda hält ganz besondere Momente bereit. Einer davon ist, wie die beiden Schwestern Fariba und Yulduz Hashimi aus Afghanistan tief in die afrikanische Kultur eintauchten. »Afrika ist uns nicht unbekannt, weil wir in Italien, wohin wir nach dem Einmarsch der Taliban fliehen konnten, einigen Kontakt zu Menschen aus Afrika haben. Aber es war für uns tatsächlich das erste Mal auf dem Kontinent selbst«, sagte Fariba, die jüngere der beiden Schwestern, am Rande des Teamzeitfahrens bei der Weltmeisterschaft in Kigali zu »nd«. Beide waren schon drei Wochen vor WM-Eröffnung nach Ruanda gekommen. Anlass war ein Trainingslager in der im Februar eröffneten ruandischen Filiale des World Cycling Centers des Radsportweltverbands UCI.
Neben den Hashimis nahmen daran insgesamt 65 Athletinnen und Athleten aus 35 Ländern Afrikas teil. »Es war einfach überwältigend, all diese Sportler zu sehen. Einige sprachen anfangs kein Englisch, am Ende aber doch ein bisschen. Und manche haben mir von ihren Sprachen etwas beigebracht. Ich habe dann gehofft, dass das Trainingslager noch länger reicht und ich noch mehr von ihnen lernen kann«, meinte Fariba Hashimi und lächelte versonnen. Für sie, die ihre Heimat nach der erneuten Machtübernahme der Taliban verlassen musste, war es auch interessant, sich mit den politischen Verhältnissen in den Ländern der anderen Sportler zu beschäftigen. »Wir haben gemerkt, jedes Land hat seine Probleme, nicht nur meines«, sagte sie. Als Wunsch schoss ihr aber durch den Kopf: »Ich möchte, dass es eines Tages auch solche internationalen Trainingscamps in meiner Heimat geben soll.«
Eine Botschaft an alle Afghaninnen
Für dieses Ziel fährt die 21-Jährige auch Rad. Im WM-Einzelzeitfahren der U23 trat sie sogar unter afghanischer Flagge an. »Der alten, mit den drei Farben«, betont sie. Bei der Mixed-Staffel fuhren sie und ihre Schwester gemeinsam mit der erst 19-jährigen Ägypterin Alaliaa Darwish sowie einem syrischen, einem tunesischen und einem eritreischen Mann als Team des World Cycling Centers der UCI. »Wir haben als Refugee-Team gezeigt, dass wir zusammen fahren, gemeinsam Wettkämpfe bestreiten können, egal, woher wir kommen oder welche Religion wir praktizieren. Ich denke, es ist eine machtvolle Botschaft dafür, dass Frieden möglich ist«, sagte sie.
Hashimi tritt auch mit dem Bewusstsein an, für alle anderen Frauen ihres Landes zu fahren. »Die Situation für sie ist einfach schlecht. Von allen Dingen des öffentlichen Lebens sind sie ausgeschlossen. Auch Radfahren ist ihnen verboten. Ich weiß, dass es einige Mädchen im Lande gibt, die noch talentierter sind als ich, die dieses Talent aber nicht entwickeln können.« Sie weiß auch, dass ihre Leistungen in ihrem Land wahrgenommen werden. Im afghanischen Fernsehen werden die WM-Rennen zwar nicht übertragen. »Aber es wird viel auf Instagram gepostet«, sagt sie. Afghanistans Frauen wissen also, was möglich ist jenseits der Herrschaft der Taliban. Als Frau auf dem Rad hatte sie es auch vor dem Einmarsch der Taliban nicht leicht. Ihre Eltern waren dagegen, sie wurde beschimpft und mit Steinen beworfen. Aber das war nichts im Vergleich zum derzeit herrschenden Regime.
Erfolge auf und neben der Strecke
Am Straßenrennen der U23 nahm Fariba Hashimi wieder in den Farben des alten Afghanistan teil. Sie hatte sich viel vorgenommen, attackierte zwischendurch auch, musste dann aber von Krämpfen geplagt vorzeitig aufgeben. Ihre drei Jahre ältere Schwester will es am Samstag im Straßenrennen der Frauen besser machen. Sie geht ebenfalls im Nationaldress des Afghanistans vor den Taliban an den Start. Und sie will auf dem schweren Kurs von Kigali auch das Ziel erreichen.
Ein Ziel haben die beiden Schwestern aber schon jetzt erreicht. Sie halten über den Elitesport die Erinnerung an ein anderes Afghanistan wach. Im vergangenen Jahr traten sie bei den Olympischen Spielen an und vertraten dort ihr Land. Fariba Hashimi kam auf dem Kurs über den Montmartre sogar ins Ziel. In der letzten Saison sorgte sie auch für ein Novum: für den ersten Sieg bei einem UCI-Rennen durch eine afghanische Sportlerin überhaupt. Sie gewann eine Etappe der Ardeche-Rundfahrt. Sie hofft nach der Auflösung ihres derzeitigen Teams, des in Kempten angesiedelten Rennstalls Ceratizit Pro Cycling, für die nächste Saison einen neuen Arbeitgeber zu finden. Zu wünschen ist ihr das unbedingt.
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