Erste Phase Frieden

Israelis und Palästinenser hoffen auf die Umsetzung von Trumps Friedensplan

Niemand weiß, ob wirklich Frieden kommt. Aber erstmals gibt es wieder Hoffnung.
Niemand weiß, ob wirklich Frieden kommt. Aber erstmals gibt es wieder Hoffnung.

»Der Krieg in Gaza ist beendet«. Mit diesem knappen Satz fasste ein hochrangiger Mitarbeiter des Weißen Hauses den am Donnerstagmittag unterzeichneten Geisel- und Gefangenenaustausch zusammen. Tatsächlich haben die ins ägyptische Scharm el Sheik gereisten Vertreter Israels und der Hamas bisher nur die erste Phase von Trumps 20-Punkte-Plan unterzeichnet. Das insbesondere vom türkischen Geheimdienstchef Ibrahim Kalin und dem katarischen Premierminister Mohamed al Tani eingefädelte Ende des Geiseldramas macht allerdings selbst Kritiker des Abkommens vorsichtig optimistisch.

Sollte der ab Donnerstag 18 Uhr geltende Waffenstillstand halten, werden am Samstag die 20 noch lebenden israelischen Geiseln und über 1700 in israelischen Gefängnissen einsitzende Palästinenser sowie 250 zu langjährigen Haftstrafen Verurteilte freigelassen. Gleichzeitig soll sich die israelische Armee (IDF) hinter eine Linie zurückziehen, die bereits im Rahmen von Trumps letzten Waffenstillstandsplan festgelegt worden war.

Nach Umsetzung von Phase eins würde Israel noch 55 Prozent der Fläche Gazas besetzt halten. Ein IDF-Sprecher warnte die geflohenen Bewohner von Gaza-Stadt vor der Rückkehr in ihre Häuser, die Lage sei dort angeblich weiterhin zu gefährlich. Doch viele hielt es bereits am Donnerstag nicht mehr in den Zeltstädten von Rafah. Sie packten schon vor dem Beginn der Feuerpause ihre Sachen, um wieder nach Norden zu ziehen.

Dass die von einigen israelischen Politikern angekündigte Vertreibung der über zwei Millionen Palästinenser aus dem Gaza-Streifen nun ausbleibt, können viele in Gaza kaum glauben. »Ich hatte zuletzt jegliche Hoffnung aufgegeben«, sagt Hamza Amra, ein Ingenieur aus Gaza-Stadt, der in Rafah mit seiner Familie auf die Rückkehr und internationale Hilfe wartet. »Ich hoffe, dass internationale Organisationen kommen, damit Schulen und Krankenhäuser wieder eröffnet werden können.«

Komplizierte Umsetzung

Das Verbot der Rückkehr der Vertriebenen nach Gaza-Stadt ist ein Indiz dafür, wie kompliziert die Umsetzung des bisher wenig detaillierten Trump-Plans sein wird, solange es keine internationalen Beobachter gibt. Immerhin sollen ab Samstag die Vereinten Nationen wieder ungehindert Hilfsgüter in die Enklave liefern können. Laut dem UN-Nothilfebüro OCHA stehen dafür rund 170.000 Tonnen Hilfsgüter in ägyptischen und jordanischen Lagerhallen bereit. Sobald die israelische Regierung grünes Licht gebe, könnten die dringend benötigten Nahrungsmittel, Medikamente und Zelte auf bis zu 400 Lastwagen täglich geliefert werden, so ein UN-Sprecher.

Auch Hilfsorganisationen wie Save the Children und Oxfam fordern nun wieder ungehinderten Zugang zum Gaza-Streifen. Dies scheint erst dann realistisch, wenn sich die israelische Armee direkt an die Grenze zu Israel zurückzieht. Auch ist unklar, was aus der israelisch-amerikanischen Gaza-Humanitarian Foundation (GHF) wird. Vor deren Zentren zur Verteilung humanitärer Hilfe waren in den letzten Monaten tausende Menschen erschossen worden.

Netanjahu pocht darauf, dass Israel die militärische Kontrolle behält.

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In der zweiten Phase von Trumps Plan soll über die Einsetzung einer palästinensischen Verwaltungsbehörde unter Donald Trumps persönlicher Kontrolle gesprochen werden. Der britische Ex-Premier Tony Blair könnte eine ähnliche Rolle wie der »Hohe Repräsentant« in Bosnien-Herzegowina übernehmen. Die spätere Wiedervereinigung des Westjordanlandes und Gazas zu einer politischen Entität sei ein Ziel des Planes, sagt der katarische Vermittler Mohamed al Tani.

Doch selbst beim Einsatz einer Blauhelmmission wie im Libanon pocht Benjamin Netanjahu darauf, dass Israel die militärische Kontrolle in beiden Gebieten behält. Dies ist der Minimalkompromiss, den der Premierminister seinen ultrarechten Koalitionspartnern abringen konnte. Finanzminister Bezalel Smotrich hält sogar weiter an seinen Maximalforderungen fest. »Nach der Freilassung der Geiseln müssen wir die Hamas mit der maximal uns zur Verfügung stehenden Härte zerstören«, so der bei Siedlern und Radikalen populäre Hardliner. Kurz vor der Sitzung des Sicherheitskabinetts in Jerusalem lehnte er den Deal ab.

Debatten in Israel

Zusammen mit Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir hatte Smotrich seit dem letzten Jahr Gelder und Logistik für die Wiederbesiedlung von Nordgaza und die massive Ausweitung der Siedlungen im besetzten Westjordanland organisiert. Ihren Plan, die provisorischen Feldcamps der Armee in Gaza in kleine Städte für Reservisten umzuwandeln, wird die radikale Szene nicht so schnell aufgegeben. Für Smotrich und Ben Gvir wäre eine vollständige Umsetzung des Trump-Plans eine krachende Niederlage.

Noch sorgt die täglich in Tel Aviv und Jerusalem demonstrierende Zivilgesellschaft dafür, dass die radikale Szene im Zaum gehalten wird. Doch sollte die Hamas nicht alle toten Geiseln unter den Trümmern von Gaza-Stadt bergen können oder es zu Provokationen einzelner Splittergruppen in Gaza kommen, dann wären es wohl die Anhänger Ben Gvirs und Smotrichs, die allabendlich auf den Straßen demonstrieren.

»Die Mehrheit der Israelis sieht die Palästinenser nur noch als Gefahr«, sagt der politische Analyst Ori Goldberg aus Haifa. »Sie würde einer Fortsetzung der Bombardierungen, die ja dann nicht mehr das Leben der Geiseln gefährden würden, schnell zustimmen.« Im israelischen TV-Sender I 24 wurde bereits mit Empörung kommentiert, dass die militärisch im letzten Jahr geschlagene Hamas mit der Freilassung zahlreicher palästinensischer Führungsfiguren nun für den Angriff am 7. Oktober 2023 belohnt werde.

In der Trump-Administration ist man sich offensichtlich bewusst, dass jegliche Umsetzung von Phase zwei des Trump-Plans von den israelischen Ultrarechten und den 700.000 Siedlern gestört werden wird. In einer für die nächste Woche geplanten Rede will Trump Netanjahus Koalitionspartner in Haftung nehmen. Es hat den Anschein, als wolle der US-Präsident den von seinem Verbündeten begangenen Massenmord tatsächlich beenden.

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