Poker um die Prignitz-Bahnen

Politisch bewegt sich viel bei den Strecken im Nordwesten Brandenburgs

Im »Prignitz-Express« könnten die Chancen besser stehen, mit dem Fahrrad in die Bahn zu kommen.
Im »Prignitz-Express« könnten die Chancen besser stehen, mit dem Fahrrad in die Bahn zu kommen.

Bahnfahren in der Prignitz ist tendenziell eher etwas für Liebhaber. Mit Ausnahme der Schnellfahrstrecke von Wittenberge Richtung Berlin dominieren langsame Dieselzüge auf eingleisigen Strecken das Angebot. Selbst auf dem »Prignitz-Express« getauften RE6 sind die Fahrgastzahlen überschaubar, was nicht nur an der dünnen Besiedelung des Landstrichs liegt.

Besonders ärgerlich ist derzeit die parallele Sperrung des RE6 zwischen Neuruppin und Kremmen, zeitweise auch bis Velten mit der bis Ende April 2026 laufenden Generalsanierung der Schnellfahrstrecke. Bis zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember wird der Bahndamm des RE6 saniert. Ursprünglich hätte das bereits 2023 geschehen sollen, dann wäre zumindest die Doppelsperrung vermieden worden.

Doch die nächsten Sperrungen der von RB55 und RE6 befahrenen Strecke stehen schon im Haus. Zusammengenommen acht Kilometer zweites Gleis sollen neu entstehen, neue Ausweichmöglichkeiten für Gegenzüge, die Bahnsteige verlängert werden. Das Planfeststellungsverfahren dafür läuft, allerdings fehlt noch die Finanzierung. Wenn der Ausbau fertig ist, soll Neuruppin zwei Verbindungen stündlich bekommen.

Parallel wird die Elektrifizierung der Strecke zwischen Hennigsdorf und Wittenberge vorangetrieben. Die Deutsche Bahn sucht derzeit per Ausschreibung Auftragnehmer für die Planung des Abschnitts Hennigsdorf-Velten. Bereits klar ist, dass eine erst 2019 eröffnete Bahnsteigüberführung in Velten für die Oberleitung abgerissen werden muss. Laut den Ausschreibungsunterlagen sind Abriss und Neubau mit drei Millionen Euro deutlich günstiger als eine Tieferlegung der Gleise in diesem Bereich.

Die Terminplanung für beide Vorhaben ist derzeit unklar. Zumindest geht man nicht mehr davon aus, dass der Kapazitätsausbau der Strecke wie zunächst vorgesehen Ende 2027 abgeschlossen sein dürfte.

Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) hegt zumindest die Hoffnung, dass spätestens Ende 2038 auch die Elektrifizierung der Strecke abgeschlossen sein könnte. Das geht aus der jüngst veröffentlichten Ausschreibung für den Betrieb von RE6 und RB55 hervor. Es soll die letzte Diesel-Ausschreibung für Brandenburger Bahnstrecken sein, deswegen werden auch keine Neufahrzeuge verlangt. Der Vertrag soll zunächst fest für die Zeit ab Ende 2028 bis Ende 2036 vergeben werden – mit zwei Verlängerungsoptionen um jeweils ein Jahr.

Für Aufregung sorgte in dieser Ausschreibung der Umstand, dass in diesem Dieselpaket auch die Linie RB73 enthalten war. Allerdings nur für den kurzen Abschnitt zwischen Neustadt (Dosse) und Kyritz am Bürgerpark. Das wurde als Vorzeichen für die Einstellung des Restabschnitts bis Pritzwalk der RB73 und die Abbestellung der RB74 von Pritzwalk bis Meyenburg gesehen. Seit Jahren sind beide Strecken einstellungsbedroht. Es werden nur sehr kurz laufende Betreiberverträge geschlossen.

Brandenburgs Verkehrsminister Detlef Tabbert (BSW) ruderte zurück und sagte eine separate Neuausschreibung von RB73 und RB74 zu. VBB-Chef Christoph Heuing bestätigt gegenüber »nd« das Vorgehen. »Der Betrieb der beiden Linien wird 2026/2027 als separates Verfahren ausgeschrieben«, sagt er. Allerdings bekräftigt er auch, dass die zunächst vorgesehene Teilausschreibung keineswegs ein Präjudiz für eine Einstellung der restlichen Streckenteile gewesen sei. »Das lag vor allem in den gemeinsamen Ausbauplänen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern für die Strecke begründet«, so Heuing weiter.

Beide Bundesländer setzen sich inzwischen für einen durchgehenden Zugbetrieb mindestens auf den rund 125 Kilometern Strecke zwischen Güstrow und Neustadt (Dosse) ein, wie auch auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Neubrandenburg im September bekräftigt worden ist.

Ein im August veröffentlichtes Gutachten hatte dem Vorhaben die Wirtschaftlichkeit bescheinigt. Sowohl in der Variante mit Akkubetrieb und einem Ausbau auf eine Streckenhöchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde mit geschätzten Investitionskosten von 228 Millionen Euro – als auch in der Variante mit Elektrifizierung und Ausbau für bis zu 160 Kilometer pro Stunde schnelle Züge. In diesem Fall könnte der in Nauen endende RE2 eine zusätzliche Verbindung nach Rostock schaffen. Hierfür werden die Kosten für rund 650 Millionen Euro veranschlagt.

Beide Bundesländer wollen nun intensiv beim Bund für eine Finanzierung werben, wobei die Präferenz derzeit bei der günstigeren Variante mit höherem Nutzen-Kosten-Faktor liegt.

Die Finanzierung ist allerdings auch für viele rein Brandenburger Ausbauprojekte offen. So auch für den geplanten Ausbau der S25 nach Hennigsdorf für einen Zehn-Minuten-Takt und deren Verlängerung bis Velten. Zumal Brandenburg gerade wegen Sparmaßnahmen einige besonders schlecht ausgelastete Fahrten im Regionalbahnnetz abbestellt hat.

Wie sehr sich die Realisierung des ambitionierten Eisenbahn-Ausbauvorhabens »i2030« der Länder Berlin und Brandenburg zieht, zeigen die Unterlagen, die sich in der Ausschreibung der Elektrifizierungsplanung des RE6 finden. Für die S-Bahn nach Velten war demnach einmal bereits eine Betriebsaufnahme im Jahr 2029 ins Auge gefasst worden. Die aktuellsten Dokumente gehen von einer Inbetriebnahme im Dezember 2038 aus.

- Anzeige -

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.