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Indian Summer: Wandern im Farbenrausch
In diesen sechs Wanderrevieren zwischen Ruppiner Land und Oberbayern ist der deutsche Indian Summer besonders schön
Der Osten Nordamerikas ist bekannt für ein unglaubliches Naturschauspiel, den Indian Summer, der vor Ort oft auch als »Fall Foliage« bezeichnet wird. Gemeint ist damit die Herbstfärbung der Laubwälder, die sich von Kanada bis in den Süden der USA wie ein rotes Feuer ausbreitet. Einen herbstlichen Farbenrausch kann man aber auch in Deutschland erleben. Wenn man weiß, wo es die Bäume zwischen Ostsee und Alpen am buntesten treiben.
Der »goldene Oktober« – die deutsche Entsprechung zum nordamerikanischen Indian Summer – ist hierzulande eine der schönsten Reisezeiten. Mit etwas Glück geht der Altweibersommer nahtlos in eine sonnige Herbstzeit über und beschert Reisenden vor den trüben und grauen Novembertagen noch eine Schönwetterperiode. Für die Farbenpracht der Wälder sind die ersten Nachtfröste verantwortlich – die Kälte signalisiert den Bäumen, dass es Zeit für die Winterruhe ist. Das grüne Chlorophyll zieht sich aus den Blättern zurück, übrig bleibt der rot-gelbe Farbanteil. Scheint dann die Sonne in das bunte Laub, ist das Naturschauspiel perfekt.
Altehrwürdige Ahornbäume
Wahrhaft golden präsentiert sich Oberbayern: Ein sattes, strahlendes Gelb ist im Herbst der vorherrschende Farbton in der Eng, einem der schönsten Talgründe der deutschen Ostalpen. Ehrwürdige, zum Teil mehrere Hundert Jahre alte Ahornbäume leuchten mit dem klaren, tiefblauen Himmel um die Wette. Die grauen Felswände des Karwendels stehen im Kontrast zu den bunten Bäumen und den verwitterten Almhütten.
Der sogenannte Große Ahornboden gehört zum Schutzgebiet »Naturpark Karwendel« und ist von Norden her über Garmisch-Partenkirchen oder Lenggries erreichbar. Bequem lässt sich das herbstliche Naturschauspiel bei einem knapp einstündigen Spaziergang zur Bimsalm bestaunen. Wen es höher hinauf – und weg vom Trubel des Taleingangs – zieht, der wandert auf das knapp 2000 Meter hohe Lamsenjoch oder in zweieinhalb Stunden zur Falkenhütte.
Was für ein Rundblick! Vom Hermannsdenkmal überblicken Wanderer die herbstlich bunt gefärbte Berglandschaft des Teutoburger Waldes. Und sie können gleich die nächste Etappe der Hermannshöhen in Augenschein nehmen: Der 226 Kilometer lange Fernwanderweg startet in Rheine im Münsterland und führt durch die gesamte Urlaubsregion Teutoburger Wald bis nach Marsberg im Sauerland.
Wer weniger ambitioniert unterwegs ist, der erkundet bei Ausflügen im Naturpark das verwunschene Silberbachtal, besichtigt die eindrucksvolle Felsformation der Externsteine oder besteigt den Velmerstot, mit 468 Metern Höhe die höchste Erhebung des Eggegebirges.
Saufelsen und Bärenhöhle
Auch der Herbst im Gräfensteiner Land steht dem Indian Summer in Nordamerika nicht nach: Die Laubmischwälder im Naturpark Pfälzerwald erstrahlen in feurigem Rot und kräftigen Gelb- und Orangetönen. Von der Ruine Gräfenstein, einst eine stolze Stauferburg, genießen Wanderer eine weite Aussicht über eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands.
Doch nicht nur Buchen und Eichen treiben es in der Region bunt: Überall stoßen Wanderer auf Buntsandstein-Ablagerungen. Der 45 Kilometer lange Felsenwanderweg rund um Rodalben führt etwa an Formationen wie den Kuh- und Saufelsen und dem Karl-May-Felsen vorbei. Eine eindrucksvolle Station der Tour, die man in gemütlichem Tempo in drei Tagen bewältigt, ist die Bärenhöhle, die größte natürliche Felsenhöhle in der Pfalz.
Lebenden Bären – wie auch Wolf, Wisent, Luchs und Co. – können Urlauber im Nationalpark Bayerischer Wald begegnen. Er bildet zusammen mit dem angrenzenden Nationalpark Šumava in Tschechien das größte Waldschutzgebiet Mitteleuropas. Im Herbst präsentieren sich vor allem die Bergmischwälder am Erlebnisweg Seelensteig und im Wandergebiet Rachel farbenprächtig. Lohnend sind auch Wanderungen durch das Tierfreigelände des Nationalparks sowie ein Spaziergang auf dem 1300 Meter langen Baumwipfelpfad, der von oben einen Blick auf das bunte Blättermeer ermöglicht.
Fontanes Feuerwerk
Der Naturpark Stechlin-Ruppiner Land mit seinen zahlreichen Seen ist im Herbst ebenfalls eine Reise wert: In den spiegelglatten Wasserflächen verdoppeln sich die zauberhaften Herbstfarben. Ein 250 Kilometer langer Rundwanderweg verbindet im Norden Berlins Kultur und Natur – immerhin genossen dort schon Theodor Fontane und Kurt Tucholsky das farbenprächtige Feuerwerk des Herbstes.
Der Abschnitt zwischen Neuruppin und Wustrau entlang des Ruppiner Sees gehört zu den schönsten Wanderstrecken Brandenburgs. Ebenso reizvoll ist die Wald- und Seenlandschaft rund um das Städtchen Rheinsberg mit seinem historischen Schloss am Grienericksee, das als Vorbild für Schloss Sanssouci diente.
Und auch im Harz erstrahlen im Herbst die weiten Misch- und Laubwälder: Von Ilsenburg am nördlichen Rand des Nationalparks Harz geht es auf dem Heinrich-Heine-Weg durch das wildromantische Ilsetal auf den höchsten Berg Norddeutschlands, den 1114 Meter hohen Brocken.
Wer mehr Zeit hat, der wandert auf dem knapp 60 Kilometer langen Harzer Grenzweg oder folgt dem fast 100 Kilometer langen Harzer Hexenstieg. Dabei verleihen die Strahlen der tief stehenden Sonne, die morgens auf neblige Lichtungen treffen, der Landschaft etwas Magisches. Immerhin sollen rund um den sagenumwobenen Blocksberg allerlei Hexen, Teufel, Kobolde und andere Gestalten bis heute ihr Unwesen treiben.
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