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BSW: Der Name der Rose

BSW-Chefin Wagenknecht wird von ihrem einstigen Gefährten Dehm verklagt – dabei hat sie ganz andere Sorgen

Von den einstigen Gemeinsamkeiten zwischen Diether Dehm und Sahra Wagenknecht ist nichts mehr übrig.
Von den einstigen Gemeinsamkeiten zwischen Diether Dehm und Sahra Wagenknecht ist nichts mehr übrig.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht kann jede Aufmerksamkeit in den Medien gut gebrauchen. Seit die junge Partei aus dem Bundestag geflogen ist, kann man ihre Namensgeberin nicht mehr in Dauerschleife im Fernsehen erleben. In letzter Zeit hat die mediale Beachtung wieder etwas zugenommen, weil sich das BSW energisch darum bemüht, dass das Ergebnis der Bundestagswahl vom Februar neu ausgezählt wird. Gut 9000 Stimmen fehlten dem BSW zum Einzug ins Parlament, und in der Partei ist man überzeugt davon, dass diese Lücke durch die Korrektur von Zählfehlern geschlossen werden kann.

Die beiden BSW-Vorsitzenden Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali versuchten jüngst, mit einem Brief an den Chef des Wahlprüfungsausschusses im Bundestag Druck zu machen, und ersuchten ihn um ein Gespräch. Doch der SPD-Abgeordnete Macit Karaahmetoğlu lehnt eine Begegnung ab, mit Hinweis darauf, dass der BSW-Prozessbevollmächtigte bereits alle Argumente und Fakten vorgetragen habe. Die Angelegenheit ist von einiger Brisanz – nicht nur, weil es um das korrekte Wahlergebnis geht. Sollte das BSW, das in bundesweiten Umfragen derzeit zwischen drei und vier Prozent pendelt, doch noch in den Bundestag einziehen, stünde die schwarz-rote Koalition unter Friedrich Merz ohne Mehrheit da.

Nun sorgt ein langjähriger Wagenknecht-Gefährte für mediales Interesse, der inzwischen ein gespaltenes Verhältnis zum BSW hat. Der frühere Sozialdemokrat und danach PDS- und Linke-Politiker Diether Dehm hat eine gerichtliche Auseinandersetzung mit Wagenknecht angestrengt, weil er sich von ihr verleumdet sieht. Er habe nicht alle Tassen im Schrank, hatte Wagenknecht auf der Plattform X (Twitter) geschrieben, weil er dem rechtsextremen Magazin »Compact« ein Interview gegeben hatte, unter anderem zum Thema Querfront. Interessant dabei: Als die Vorsitzende der neu gegründeten BSW-Jugend »Compact«-Fragen beantwortete, blieben zumindest öffentlich solche harschen Reaktionen aus.

In kleinem Kreis soll Wagenknecht ihren Befund über Dehm spezifiziert haben – der sei unberechenbar und geistesgestört. So wurde es bis zu ihm weitergetragen, und nun klagt er auf Unterlassung, damit Wagenknecht nicht weiter seine geistige Integrität infrage stellt, wie er es formuliert. Doch Wagenknecht habe keineswegs eine medizinische Diagnose abgegeben, sagte deren Anwalt bei der Verhandlung am Berliner Landgericht in dieser Woche; hinter verschlossener Tür müsse man auch mal offen reden können, und alles andere gehöre zur »politischen Rauferei«. Ähnlich denkt wohl auch der Richter, der Dehm wenig Hoffnung auf einen juristischen Erfolg macht.

Damit könnte es schon sein Bewenden haben – und auch, dass da wohl ein wenig Rosenkrieg im Spiel ist, wäre eher am Rande zu vermerken. Dehm hatte Wagenknecht in den Linke-internen Auseinandersetzungen immer unterstützt; vor vielen Jahren waren sie mal privat ein Paar, bestätigte Dehm auf Medienanfragen am Rande der Verhandlung. Im Übrigen hatte der 75-Jährige vor einiger Zeit schon mit der BSW-Politikerin Żaklin Nastić eine privat-juristische Auseinandersetzung.

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Hinter den gekränkten Eitelkeiten steht eine interessantere Frage: In welche Richtung soll das BSW gehen, und wer hat dort welchen Einfluss? Dehm, der sich zum Freundeskreis um Oskar Lafontaine zählte, hatte schon frühzeitig für eine Abspaltung des Wagenknecht-Lagers von der Linken getrommelt. Daraus hatte er wohl das Recht abgeleitet, in der neuen Partei eine aktive Rolle zu spielen. Doch es kam anders: Viele in der Linken waren froh, den umtriebigen Politiker und Musikmanager los zu sein – aber beim BSW will man ihn auch nicht. Er macht dafür öffentlich die Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali verantwortlich; gemeint ist aber gewiss ebenso Wagenknecht selbst.

Heute möchte Dehm nicht mehr viel davon wissen, dass er dringend ins BSW aufgenommen werden wollte. Anfang 2024 hatte er sich allerdings gemeinsam mit anderen Ex-Linken in einem Brief an führende BSW-Leute bitterlich darüber beklagt, dass »seit Jahrzehnten zuverlässige Mitstreiterinnen« nicht in die Partei dürfen, »die auch ohne uns nie zustande gekommen wäre«.

Dehm, der sich selbst immer noch als Marxist sieht, kritisiert das BSW inzwischen regelmäßig. Unter anderem deshalb, weil es nicht offen genug auf die AfD zugehe. Wagenknecht und Co. finden die gesamte Brandmauerdebatte falsch und albern, weil sie die AfD nur stärke – ihr eigener Anspruch, die AfD durch Annäherung an deren Wähler zu schwächen, ist aber auch verpufft.

Dehm hätte es gerne noch um einiges radikaler: Das BSW habe deshalb bei der Bundestagswahl enttäuschend abgeschnitten, weil dessen Führung eine Kooperation mit der AfD strikt abgelehnt habe, erklärte er dieser Tage wieder einmal und nannte das »ein falsches Verhältnis zur AfD«. Gemeint ist: Zu viel Distanz, denn »viele Menschen an den Stammtischen« hätten auf eine Kooperation zwischen Wagenknecht und AfD-Chefin Alice Weidel gehofft, wie es in einem Pressebericht über eine Veranstaltung mit Dehm in Hannover heißt.

Für eine solche Querfront macht er unverdrossen Reklame, beispielsweise in seinen Podcasts, in denen er sich unter anderem mit allerhand dubiosen Gestalten bis nach rechts außen umgibt. Wie sein politisches Koordinatensystem inzwischen aussieht, zeigt eine Aussage, die er im Interview mit dem rechtsextremen Medium »Compact« zum Besten gab. Der AfD-Hardliner Björn Höcke, der laut Gerichtsbeschluss als Faschist bezeichnet werden darf, stehe eigentlich links von der früheren Außenministerin Annalena Baerbock, meint Dehm, weil Höcke im Unterschied zur Grünen-Politikerin für den Frieden sei. Immerhin ist er mit dieser, nun ja, Erkenntnis nicht so weit weg von Wagenknechts Diktum, viele Menschen könnten heutzutage mit den Begriffen links und rechts nichts mehr anfangen.

Dass das Verhältnis zwischen Dehm und BSW-Führungsebenen zerstört ist, zeigte sich dieser Tage wieder in Hannover. Die örtliche Ratsfraktion hatte Dehm als Referenten zu einem kulturpolitischen Ratschlag eingeladen, was dem BSW-Landesvorstand missfiel. Dort ist Holger Onken, der Ehemann von BSW-Ko-Chefin Amira Mohamed Ali, einer der Landesvorsitzenden. Laut den Veranstaltern wurde vom Landesvorstand »massiver Druck« gegen Dehms Beteiligung gemacht. Das ist insofern interessant, als es in den programmatischen Grundsätzen des BSW heißt: »Cancel Culture, Konformitätsdruck und die zunehmende Verengung des Meinungsspektrums sind unvereinbar mit den Grundsätzen einer freien Gesellschaft.« Wie all das zusammenpasst, müsste das BSW gelegentlich erklären.

Auf dem Parteitag Anfang Dezember in Magdeburg wird man das aber sicher nicht gern thematisieren. Dort soll es unter anderem um die Umbenennung der Partei gehen – das Kürzel BSW soll bleiben, aber ohne Wagenknechts Namen. Im Gespräch ist etwa der einschläfernde Vorschlag »Bündnis für Sicherheit und Wohlstand«. Auch der Parteivorstand wird neu gewählt; die Frage ist, ob Wagenknecht weiter an der Spitze stehen will. Und erstmals auf einem BSW-Bundesparteitag kann es zu kontroversen Kandidaturen kommen.

Der juristische Streit zwischen Dehm gegen Wagenknecht könnte dafür noch etwas Begleitmusik liefern. Das Urteil soll nächste Woche gesprochen werden. Falls er verliert, erwägt Dehm, die Entscheidung anzufechten. Für ein paar Schlagzeilen kann sich Wagenknecht jetzt schon bei ihm bedanken.

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