Familiennachzug ausgesetzt: Noch keine Visa für Härtefälle

Trotz 1500 Anträgen wurde noch kein einziges Visum erteilt. Linke kritisiert Regierung hart

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Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus dürfen derzeit keine Familienangehörigen zu sich nach Deutschland holen.
Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus dürfen derzeit keine Familienangehörigen zu sich nach Deutschland holen.

Berlin Die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland ist in diesem Jahr deutlich gestiegen. Von Januar bis September wurden 17 651 Menschen abgeschoben, im gleichen Vorjahreszeitraum waren es 14 706, was einem Anstieg von rund einem Fünftel entspricht. Außerdem ist noch niemand über eine Härtefallregelung seit der Aussetzung des Familiennachzugs für Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland gekommen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Innenpolitikerin Clara Bünger (Linke) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Danach liegen dem Auswärtigen Amt rund drei Monate nach Inkrafttreten der Änderung zwar Fälle zur Prüfung vor. Von bereits erteilten Visa, nach denen Bünger auch gefragt hatte, ist in der Antwort jedoch nicht die Rede.

Der Familiennachzug zu Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus ist – anders als für andere anerkannte Flüchtlinge – seit dem 24. Juli für zwei Jahre ausgesetzt. Er wurde zuvor bereits auf 1000 Angehörige pro Monat beschränkt. Nur in »Härtefällen« sollen subsidiär Schutzberechtigte – in diese Kategorie fallen viele Menschen aus Syrien – noch Ehepartner, minderjährige Kinder und im Fall unbegleiteter Minderjährige die Eltern nachholen dürfen.

Wie die Bundesregierung mitteilte, wurde von der Möglichkeit, einen solchen Härtefall anzuzeigen, bisher in rund 1500 Fällen Gebrauch gemacht. In diesen Fällen folge dann eine »Sachverhaltsermittlung« mit Unterstützung durch die Internationale Organisation für Migration (IOM). Danach würden die Fälle in Dossiers zusammengefasst und an das Auswärtige Amt übermittelt. Dieses prüfe anschließend, ob eine Aufnahme aus humanitären Gründen erfolgen könne. »Erste Fälle liegen dem Auswärtigen Amt vor«, heißt es in der Antwort weiter. Maßgeblich für die Entscheidung im Einzelfall ist neben dem entsprechenden Passus im Aufenthaltsgesetz eine Weisung des Auswärtigen Amtes.

Ziel der Aussetzung des Familiennachzugs sei »die Entlastung der Aufnahme- und Integrationssysteme in Deutschland unter Beachtung der geltenden verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben«, führt das Auswärtige Amt dazu aus.

»Von Anfang an war klar, dass die Weisung des Auswärtigen Amtes so restriktiv ausgestaltet ist, dass sich fast niemand auf diese Regelung wird berufen können«, sagt Clara Bünger, Sprecherin der Linksfraktion für Fluchtpolitik. Die Bundesregierung reiße geflüchtete Familien auseinander. »Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit habe in der autoritären Asylpolitik dieser Regierung offenbar keinen Platz«, kritisierte die Bundestagsabgeordnete.

Die Linksfraktion vermutet, dass noch mehr Angehörige Grund hätten, einen Härtefall anzuzeigen. Dass sie dies bislang nicht getan hätten, liege einerseits wohl an den begrenzten Bearbeitungskapazitäten der Hilfsorganisationen, die sich um diese Menschen kümmern. Ein weiterer Grund sei, dass diese Organisationen den Betroffenen angesichts der strikten Vorgaben der Weisung nur in besonders außergewöhnlichen Fällen dazu rieten, entsprechende Anträge zu stellen, um ihnen keine unnötige Hoffnung zu machen. dpa/nd

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