Afghanische Fußballerinnen senden »eine Botschaft an die Welt«

Geflüchtete afghanische Frauen spielen wieder als Nationalteam

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Team geflüchteter afghanischer Fußballerinnen während ihrer Vorbereitung in London
Das Team geflüchteter afghanischer Fußballerinnen während ihrer Vorbereitung in London

Manozh Noori blieb stark: Entschlossen hämmerte die afghanische Mittelstürmerin den Elfmeter gegen den Tschad ins Tor. Dann streckte sie im marokkanischen Berrechid die ausgestreckte Faust in den Himmel. Dieses Führungstor nach vier Minuten im ersten Länderspiel seit Machtergreifung der Taliban vor fast vier Jahren war trotz der 1:6-Niederlage das Zeichen: Wir lassen uns nicht unterkriegen. Auch nicht von der radikalislamischen Schreckensherrschaft in der Heimat, vor der alle Spielerinnen, von denen hier die wenigsten noch einen Hijab tragen, geflohen sind.

Das Recht von Frauen und Mädchen

Dass die afghanischen Fußballerinnen jetzt unter Hoheit des Weltverbandes Fifa bei der »Women’s Series 2025« – ein Viererturnier, an dem auch noch Libyen und Tunesien teilnehmen – unter dem Namen »Afghan Women United« mitspielen, haben sie auch der Fifa zu verdanken, die die Rückkehr auf die internationale Bühne organisierte und finanzierte. Der Weltverband will damit »die Bemühungen unterstreichen, das Recht aller Frauen und Mädchen zu fördern und zu schützen, diesen Sport auszuüben, ihre Fußballträume zu verwirklichen und durch das Spiel zu wachsen«. Dieses Team soll regelmäßig eine internationale Plattform bekommen und ein sicheres Fußballumfeld vorfinden.

In einer vom Weltverband verbreiteten Pressemitteilung sagte Kapitänin Fatima Haidari: »Wir sind zutiefst dankbar, dass die Fifa uns diese Gelegenheit und dieses Privileg gegeben hat, zu zeigen, wozu Frauen fähig sind. Es ist eine klare Botschaft an die Welt, dass Frauen, wenn sie etwas in ihrem Leben erreichen wollen, nicht nur als Sportlerinnen, in der Gesellschaft den Männern gleichgestellt sein sollten, insbesondere im Sport und in Ländern wie Afghanistan, wo sie in den letzten Jahren keine Chance dazu hatten.«

Flucht und Fluchthilfe

Das Auswahlverfahren für das Team umfasste drei Trainingslager, in denen sich etwa 70 Spielerinnen, die in Australien und Europa eine neue Heimat gefunden haben, Cheftrainerin Pauline Hamill vorstellten. Das erste Trainingslager fand unter Fifa-Leitung in Sydney statt, dort hatten die meisten Fußballerinnen Zuflucht gefunden, wie die Aktivistin Khalida Popal weiß. Sie hat einst ihr Leben dafür riskiert, dass Frauen und Mädchen in Kabul überhaupt Fußball spielen konnten. Die 38-Jährige schildert in ihrem Buch »Meine wundervollen Schwestern«, wie sie als erste Kapitänin des afghanischen Nationalteams und später auch als erste Frau im Verband den Fußball als Instrument gegen die systematische Unterdrückung einsetzte, dann aber 2011 wegen Morddrohungen flüchten musste.

Weiterhin warnt Popal davor, mit dem Taliban-Regime zu kooperieren: »Ich weiß nicht, was für eine Zusammenarbeit es geben sollte, wenn die Taliban Frauen aus der Gesellschaft verbannen und verdrängen wollen.« Sie selbst organisierte die Flucht für Hunderte. Man habe aus dem Chaos rund 600 Personen, erst die Spielerinnen, dann ihre Familien, herausbringen können.

Hürden und Hoffnung

Popal berät auch die Fifa-Frauenfußballkommission. Ihre Hoffnung ist, dass die Spielerinnen als offizielles Nationalteam Afghanistans anerkannt werden. Doch wie schwierig alles ist, zeigt das Turnier in Marokko, das eigentlich in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfinden sollte. Kurzfristig lehnten die Gastgeber aber die Visaanträge von Mitgliedern des afghanischen Teams ab. Die Fifa teilte mit, dass so etwas außerhalb ihrer Kontrolle läge. Immerhin sprang Marokko ein, zumal die anderen Teilnehmer ohnehin aus Afrika kommen, wo teilweise auch noch großer Nachholbedarf bei der Förderung und Anerkennung von Fußballerinnen besteht.

Ganz uneigennützig erfolgt das lobenswerte Engagement der Fifa nicht. Präsident Gianni Infantino fördert die weltweite Entwicklung auch deshalb, weil er sich in Zukunft große Gewinnchancen in diesem Bereich verspricht. Die Frauen-WM 2027 in Brasilien soll bereits ein ordentliches Plus durch den Verkauf von Fernseh- und Werberechten bringen. Danach folgt analog zu den Männern die Aufstockung auf 48 Teams, um die WM 2031 haben sich die USA gemeinsam mit Mexiko, Costa Rica und Jamaika beworben. Der Zuschlag beim Fifa-Kongress am 30. April 2026 in Vancouver ist Formsache. Danach geht es wohl nach Europa: Das Quartett England, Schottland, Wales und Nordirland ist der einzige Bewerber für 2035.

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