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Steuerschätzung für Brandenburg: Frust trotz Plus
Die Steuerschätzung sieht für Brandenburg höhere Einnahmen vor – bleibt aber unter den Erwartungen
Galgenhumor ist Robert Crumbachs (BSW) Spezialgebiet. »Wir stellen Ihnen den Strom für Ihre Laptops dann in Rechnung«, witzelt der Brandenburger Finanzminister in Richtung der in seinem Büro versammelten Journalisten. Das gebiete die Haushaltsdisziplin. Dabei müsste ihm die Oktober-Steuerschätzung auf den ersten Blick eigentlich Grund zur Freude geben: 30,4 Millionen Euro wird das Land im Jahr 2025 laut der Schätzung mehr einnehmen als noch im Mai dieses Jahres angenommen. 2026 sollen 27,8 Millionen Euro mehr in die Staatskasse fließen, 2027 60,7 Millionen Euro. Bis 2030 sollen die Steuereinnahmen auf insgesamt 13,9 Milliarden Euro im Jahr steigen. Auch aus dem Landesfinanzausgleich darf Brandenburg mit höheren Einnahmen rechnen.
Doch das Problem: Eigentlich war mit deutlich höheren Mehreinnahmen gerechnet worden. Um 70 Millionen Euro jährlich liegt die neuerliche Steuerschätzung nach Crumbachs Angaben unter bisherigen Annahmen. Die 30 Millionen Euro, die im laufenden Jahr zusätzlich in die Landeskasse fließen, sind laut Crumbach »kaum mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein«. Der Brandenburger Landeshaushalt umfasst 34 Milliarden Euro.
Dazu kommt noch, dass der prognostizierte Anstieg keinesfalls sicher ist. Er beruht auf der Annahme, dass die Wirtschaft bundesweit in den kommenden Jahren wieder wachsen wird. Die Bundesregierung korrigierte ihre Wachstumsprognose zuletzt auf 0,2 Prozent Wachstum bundesweit im Jahr 2025 und 1,3 Prozent im Jahr 2026 herauf. »Ob das eintritt, das muss ich betonen, bleibt unsicher«, sagt Crumbach. »Den USA kann noch die ein oder andere Zollkapriole einfallen«, nennt er einen von mehreren Faktoren, die die Wirtschaftsleistung wieder in die Stagnation führen könnten.
Für verantwortlich für das ernüchternde Ergebnis der Steuerschätzung hält der Brandenburger Finanzminister eine Entwicklung im Bund. Das geplante Steuerpaket des Bundes sieht an zwei für das Land relevanten Stellen Steuersenkungen vor: Die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie soll von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden, zudem wird die Pendlerpauschale auf steuerlich absetzbare 38 Cent pro Kilometer erhöht. Beides schmälert die Steuereinnahmen des Landes. Die konjunkturell bedingt höheren Steuereinnahmen »werden so im Wesentlichen aufgezehrt«, so Crumbach.
Beschlossen sind die Steuersenkungen noch nicht, in der Steuerschätzung sind sie allerdings bereits enthalten. Crumbach schließt sich mit seiner Kritik einer Gruppe anderer Landesminister an, die die Schritte der schwarz-roten Bundesregierung zuletzt kritisiert hatten. Bundesweit belaufen sich die prognostizierten Steuerausfälle für die Bundesländer auf 11,2 Milliarden Euro im Jahr. Einen Ausgleich durch den Bund lehnt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) ab.
Aus politischer Sicht kann Crumbach der neuen Regelung bei der Pendlerpauschale durchaus etwas abgewinnen. »Viele Menschen in Brandenburg müssen pendeln, daher begrüße ich das uneingeschränkt«, sagt er, um sich im Nachsatz doch noch einzuschränken: »Aber als Finanzminister kann ich nie begrüßen, wenn die Einnahmen geschwächt werden.«
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Bei der Steuersenkung im Gastronomiebereich ist seine Ablehnung eindeutiger. »Ich glaube nicht, dass das bei den Kollegen oder den Kunden ankommt«, sagt Crumbach. Er sehe aber, dass es in der Gastronomie seit der Corona-Pandemie einen großen Bedarf an Investitionen gebe.
Für die Brandenburger Landespolitik verheißt die Schätzung wenig Gutes. »Wir haben keine Spielräume«, sagt Crumbach. »Es bleiben hohe Unsicherheiten.« Die Landesregierung müsse daher an ihrem Konsolidierungskurs festhalten und könne keine neuen Ausgaben einplanen. »Ich sehe nicht, dass wir in den folgenden Jahren Stellenaufwüchse haben werden«, so Crumbach über die Situation im öffentlichen Dienst. Ausgenommen sei davon die Polizei, wo mehr Stellen entstehen sollen.
Auch für die Kommunen sieht es dem Finanzminister nach wenig rosig aus. »Die Kommunen werden keinen größeren Spielraum haben«, prophezeit Crumbach. »Sie müssen mit deutlichen Mindereinnahmen insbesondere bei der Gewerbesteuer rechnen.« Man habe aber verhandeln können, dass der Bund einen Teil der kommunalen Minderausgaben ausgleiche.
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