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BVG soll umgekrempelt werden
U-Bahn-Angebot seit Auslieferung neuer Züge deutlich stabiler
»Der Kurs stimmt«, bescheinigt sich BVG-Chef Henrik Falk rund ein Jahr nach Ausrufung seines Programms »Stabilität vor Wachstum« auf einer Pressekonferenz in der Unternehmenszentrale am Dienstag. Also keine Angebotsausweitungen, bevor nicht die Grundlagen für einen stabilen Betrieb gelegt worden sind. Dieses Ziel soll bis 2027 erreicht sein.
Bei der U-Bahn hat sich die Lage deutlich verbessert, seitdem im September die Auslieferung der neuen Züge von Stadler Rail nach jahrelanger Verzögerung endlich begonnen hat. Fielen unmittelbar davor noch sieben Prozent der Fahrten im gesamten U-Bahnnetz aus, waren es Mitte Oktober nur noch zwei Prozent der Fahrten. Allerdings zeigte sich auch, dass nicht nur Fahrzeugmangel, sondern auch Personalmangel für Ausfälle sorgt.
»Ich kann nicht pauschal sagen, dass die BVG Personalmangel hat«, sagt Jenny Zeller-Grothe. Das müsse differenziert betrachtet werden, so die BVG-Personalvorständin. »Wir haben in Summe eine ausgeglichene Personalbilanz. Bei Busfahrpersonal sind wir inzwischen bei 100 Prozent des Bedarfs, bei der U-Bahn noch nicht.«
Nach höheren Ausfallquoten hat sich auch bei der Straßenbahn seit März des laufenden Jahres die Stabilität deutlich erhöht. Nur noch ein bis zwei Prozent der Fahrten fallen seitdem aus. Allerdings scheint dort die Strategie zu herrschen, Fahrpersonalmangel durch lang anhaltenden und großräumigen Bus-Ersatzverkehr zu kompensieren. Diese Fahrerinnen und Fahrer werden von Auftragnehmern gestellt.
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Beim Bus liegt die Ausfallquote stabil bei rund einem Prozent, allerdings ist die Fahrplanleistung bereits vor über zwei Jahren um sechs Prozent gekürzt worden. Daran soll sich zunächst auch nichts ändern.
Bereits ab Dezember soll sich auch auf der U3 die Lage für die Fahrgäste bessern. Dann sollen die Züge von sechs auf acht Wagen verlängert werden. Angesichts des oft chaotischen Verkehrs im gemeinsamen Abschnitt mit der U1 ist die zusätzliche Kapazität willkommen. Die U2 soll ab Januar tagsüber wieder alle vier Minuten fahren statt derzeit im 4,5 Minuten-Takt. Damit nimmt die BVG die im September 2024 eingeführte Fahrplankürzung zurück.
Eine erfreuliche Ankündigung kann Henrik Falk auch Fahrgästen der Großprofillinien U5 bis U9 machen. Die sehnlichst erwarteten neuen Züge von Stadler Rail sollen bereits im kommenden Frühjahr in den Linienbetrieb kommen, nicht wie bisher angekündigt erst im Sommer.
»Ich kann nicht pauschal sagen, dass die BVG Personalmangel hat.«
Jenny Zeller-Grothe BVG-Personalvorständin
»Gerade das U-Bahn-System ist für mich ein Beleg dafür, dass die personellen und strukturellen Änderungen, die wir vorgenommen haben, so greifen und wir sowohl von der technischen als auch der betrieblichen Seite bessere Zuverlässigkeitswerte erreichen«, sagt BVG-Chef Henrik Falk. Die vorherige U-Bahn-Chefin nahm im November 2024 ihren Hut.
»Es gibt leider nicht diesen einen Hebel, wo man einfach nur schnippst«, sagt Falk. »Wir schauen uns auch an, welche Führungskräfte zu unserer Neuaufstellung passen. Das ist Teil unserer Verantwortung«, so der BVG-Chef weiter. »Deswegen ist der Prozess auch noch nicht abgeschlossen, die wesentlichen Positionen so zu besetzen und letztlich Personen in Verantwortung zu bringen, denen wir das zutrauen.«
»Die Neuorganisation, sowohl personell als auch inhaltlich, wird Ende 2025 nicht abgeschlossen sein, sondern dieser Prozess hat erst begonnen«, sagt Falk. Die BVG-Organisation soll zum 1. Januar komplett umgekrempelt werden. Aus bisher 26 Geschäftseinheiten sollen künftig 22 werden. Neun der neuen Leitungsposten müssen noch besetzt werden. Unter anderem für die Abteilungen Strategische Unternehmenssteuerung, Operative Systemsteuerung, Finanzen und Controlling, Technik Bahn, Technik Omnibus, Betrieb Bahn und Betrieb Omnibus laufen die Stellenbesetzungsverfahren oder sollen demnächst starten.
Auf der Habenseite verbucht er, dass 590 Millionen Euro im Jahr 2025 in Fahrzeuge und Betriebsanlagen investiert werden – 60 Prozent mehr als 2024. Allerdings dürfte ein Großteil der Steigerung auf die endlich begonnene Ablieferung neuer U-Bahn-Züge zurückzuführen sein.
Erfolgreich sei man auch bei der Personaleinstellung, heißt es von der BVG. 1220 Beschäftigte haben neu im ersten Dreivierteljahr einen Arbeitsvertrag unterschrieben, darunter 1000 in den operativen Bereichen.
Das liege auch am neuen Tarifvertrag, der 20 Prozent mehr Bewerbungen zur Folge gehabt habe. Die Personalfluktuation sei um 1,3 Prozentpunkte zurückgegangen. »Aber die Qualität der Bewerbungen nimmt auch ab. Das heißt, wir müssen uns bei Quereinstieg und Fachqualifizierung immer mehr einfallen lassen, um die Leute in einer hohen Qualität auszubilden«, sagt Personalvorständin Jenny Zeller-Grothe.
Mit Spannung blickt man bei der BVG auf die bald anstehenden Verhandlungen für einen neuen Manteltarifvertrag. »Bei den in den letzten Jahren vereinbarten Entlastungen sehen wir bei der Entwicklung des Krankenstands keine bedeutende Wirkung. Gerade beim Fahrdienst beobachten wir seit Jahren branchenweit eine steigende Fluktuation«, sagt Zeller-Grothe.
»Wir müssen an den Kern ran. Mehr individuelle Flexibilität und Wahlmöglichkeiten und Mitwirkungsmöglichkeiten bei Dienstplänen und Arbeitszeiten«, so die Personalvorständin. 13 Prozent der Beschäftigten nutzen die Option, länger als die regulären 37,5 Wochenstunden zu arbeiten, ein Viertel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist teilzeitbeschäftigt.
»Da müssen wir tatsächlich das Thema smarte Schichtplanung angehen. Aktuell schauen wir, wie wir mit den neuen technischen Möglichkeiten, auch mit Künstlicher Intelligenz, verlässliche und möglichst individuelle Schichtpläne bauen können«, sagt Zeller-Grothe. Erste Pilotprojekte sollen noch dieses Jahr beginnen.
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