Die WTT Champions in Frankfurt sind eine große Chance

Tischtennis ohne China: Hoffen auf einen Heimerfolg

  • René Hamann
  • Lesedauer: 4 Min.
Annett Kaufmann bejubelt ihren Auftaktsieg beim WTT Champions in Frankfurt.
Annett Kaufmann bejubelt ihren Auftaktsieg beim WTT Champions in Frankfurt.

Am Ende war es vielleicht doch eine gute Idee. Der Tischtennis-Weltverband ITTF hat sich vor ein paar Jahren ein neues Wettkampfformat ausgedacht, das ähnlich wie beim Tennis funktioniert und die besten Spielerinnen und Spieler einmal um die Welt schickt, um Geld und Weltranglistenpunkte zu sammeln. Diese Serie heißt WTT, World Table Tennis, und ist in mehrere Ebenen aufgeteilt: Es gibt Turniere der Kategorie Feeder, Contender, Star Contender bis hin zu den WTT Champions und Grand Smashes.

2021 ging es los, allmählich beginnt die Idee zu fruchten. Zwar gab es bislang immer mal wieder leere Hallen an exotischen Orten, durch die das einsame Anfeuerungsklatschen der Trainer schallte. Doch nun, allerspätestens seit dem beendruckenden WTT-Champions-Turnier in Montpellier, bei dem am vergangenen Sonntag Sabine Winter vom TSV Dachau bis ins Finale gespielt hatte, läuft es. Das gilt für die Übertragungen, aber auch live in der Halle: Es gibt begeisternden Sport zu sehen, der die Zuschauer mitreißt.

China kritisiert und fehlt

Seit Dienstag läuft das letzte WTT-Champions-Turnier des Jahres in Frankfurt am Main, bevor dann im Dezember in Hongkong das große Finale der 16 besten Spielerinnen und Spieler ausgetragen wird. In der Frankfurter Arena trifft sich die Tischtennis-Weltelite nach 2023 und 2024 bereits zum dritten Mal. Diesmal aber fehlen einige Spitzenspieler wie Titelverteidiger Lin Shidong – und mit dem Weltranglistenersten auch gleich das ganze chinesische Team. Das ist ein durchaus großer Wermutstropfen für die deutschen Gastgeber. Doch hier und da werden eben noch andere Prioritäten gesetzt, auch gegen die Terminvorgaben des Weltverbandes: In China finden gleichzeitig die nationalen Meisterschaften statt. Auch Olympiasieger Fan Zhedong, der mittlerweile für den 1. FC Saarbrücken spielt, ist dort am Start – beim WTT lässt er sich schon länger nicht mehr blicken.

Ohnehin waren es auch die Chinesen, die mit Kritik am Weltverband überraschten – mit der Konsequenz, dass sich neben Fan auch Altmeister Ma Long und Olympiasiegerin Chen Meng inzwischen komplett aus dem Betrieb zurückgezogen haben. Der Weltverband hat reagiert und die Regeln angepasst: Mittlerweile haben die Spieler und Spielerinnen auch die Möglichkeit, bei hochrangigen Turnieren auszusetzen. Das WTT Champions in Frankfurt ist so gesehen ein Leidtragender der neuen Regelung.

Deutsche Chancen

Weniger Chinesen erhöhen aber auch die Chancen auf einen Heimsieg in der Mainmetropole. Ein Kandidat ist der Düsseldorfer Dang Qiu. Er hat kürzlich den »Star Contender« in London gewonnen, in Montpellier scheiterte er erst im Viertelfinale am späteren Turniersieger Truls Möregardh. Auch dem derzeit besten deutschen Spieler Benedikt Duda hätte man Chancen einräumen wollen, doch er verlor bereits am ersten Turniertag gegen den Japaner Shunsuke Togami. Auch Dimitri Owtscharow ist noch dabei. Und: Mindestens ein Deutscher schafft es ins Viertelfinale, denn um den Einzug spielten am Donnerstagabend (n. Red.) Dang Qiu und Patrick Franziska.

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Größere Erfolgchancen haben die deutschen Frauen. Sie sind Team-Europameisterinnen, haben eine selbstbewusste Fast-Champions-Siegerin Winter und den neuen Star Annett Kaufmann in ihren Reihen. Doch wo die übermächtigen Chinesinnen fehlen, sind immer noch die starken Japanerinnen und die kaum weniger guten Südkoreanerinnen am Start. Bei den Frauen ist die asiatische Dominanz im Tischtennis noch mal um einiges größer als bei den Männer. Mal sehen, wie weit diesmal die beste Europäerin kommt. Die Rumänin Bernadette Szocs, die diese Rolle lange gespielt hat, ist in Frankfurt schon ausgeschieden. Winter hingegen gewann am Donnerstagnachmittag ihr Erstrundenmatch glatt mit 3:0 gegen die Portugiesin Fu Yu.

Französische Brüder und ein müder Brasilianer

Bei den Männern ist das Feld in der Spitze breiter, Favoriten gibt es einige. Möregardh, Montpellier-Sieger und Gewinner des Europe Smashs, wäre zuerst zu nennen. Er traf am Donnerstag in Runde eins auf seinen Landsmann und Freund Anton Källberg. Doch was vergangenes Jahr noch ein Halbfinale war, endete diesmal mit einem Sieg von Källberg. Auch den Lebrun-Brüdern Felix und Alexis aus Frankreich ist in Frankfurt viel zuzutrauen.

Und dann wäre da noch der Brasilianer Hugo Calderano, zuletzt mit Rückschlägen, im Frühjahr aber sensationeller Sieger beim World Cup. Aber auch er, bekannt auch durch seine Ticks zwischen den Ballwechseln, hat in Frankfurt schon leise Kritik am WTT-Zirkus geübt. »Es waren viele Turniere dieses Jahr, wir sind alle etwas müde«, bekannte er nach seinem mühsamen Auftaktsieg gegen den Südkoraner Jang Woojin.

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