Berlin: SPD muss klein anfangen und macht Krach

Parteitag wählt Hannovers Regierungspräsidenten Steffen Krach zum Spitzenkandidaten für Berliner Abgeordnetenhauswahl

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Berliner SPD rutschte ab von Rang eins auf drei. Mit Steffen Krach soll es wieder aufwärts gehen.
Die Berliner SPD rutschte ab von Rang eins auf drei. Mit Steffen Krach soll es wieder aufwärts gehen.

Die Aussprache beim Landesparteitag der Berliner SPD am Samstag zieht sich ewig hin. Fast niemand hat dabei etwas anderes zu sagen, als dass Steffen Krach ganz toll und der Richtige sei. Das wird schnell furchtbar langweilig. Schon zu Beginn der Aussprache redet Fraktionschef Raed Saleh vor bereits sichtlich gelichteten Stuhlreihen und die Tagungsleitung muss diejenigen ermahnen, die am Rand des Saals lieber miteinander schwatzen, statt zuzuhören, solche Gespräche doch bitte draußen zu führen. Es wird nicht besser. Der Applaus plätschert immer müder. Am Ende wird Steffen Krach dennoch – auch da wird es nicht spannend – von den 247 Delegierten einstimmig zum Spitzenkandidaten seiner Partei für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im September 2026 gewählt. In offener Abstimmung gibt es nicht einmal Enthaltungen.

In den Saal eingezogen ist Krach zu Musik, die nach einer verfremdeten Version eines berühmten italienischen Partisanenlieds klingt. Er drängt sich durch die da noch dicht besetzten Stuhlreihen. Es sitzt aber niemand. Alle sind aufgesprungen und klatschen rhythmisch. Krach umarmt den einen oder die andere und braucht einige Minuten bis zur Bühne. »Steffen Krach. Auf geht’s Berlin!« So steht es groß auf der Wand hinter ihm und klein am Rednerpult. Nur eine Genossin gesteht, das sei ihr hier »fast ein bisschen zu viel Euphorie«. Aber auch das ist nur ihre Einleitung für ein weiteres Lob in Richtung Krachs, der den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ablösen soll.

Steffen Krach sei »ein Gewinnertyp«, ein Kandidat »mit Strahlkraft«, schwärmt die SPD-Landesvorsitzende Nicola Böcker-Giannini. Sie sei es leid, dass Berlin von einem Mann regiert werde, der das Potenzial der Stadt nicht ausschöpfe. »2026 soll das Rote Rathaus auch innen wieder rot sein«, wünscht sie sich. »2026 wollen wir wieder stärkste Kraft werden und als SPD den Senat anführen. 2026 soll der nächste Regierende Bürgermeister Steffen Krach heißen.«

In den Meinungsumfragen liegt die SPD allerdings deutlich zurück hinter ihrem Koalitionspartner, der CDU des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner. Sie rangiert auch hinter der Linken, etwa auf Höhe der Grünen. Es ist also derzeit mehr als fraglich, ob Krach die Wahl wenigstens spannend machen, geschweige denn gewinnen kann. Auch er selbst hat sich das gefragt und behauptet am Samstag trotzdem, dass er siegen könne. »Ich bin kein Schönwetterpolitiker. Ich komme nicht nur dann, wenn es gut läuft«, sagt Krach. Er fordert seine Genossen auf: »Lasst uns starten als Underdog und wir beißen uns durch!«

Ein beim Parteitag eingespieltes Werbefilmchen versucht, Mut zu machen. »Alles, was Berlin groß gemacht hat, hat klein angefangen«, heißt es da. »Ein Mensch fängt an, immer mehr machen mit. In Berlin müssen wir uns daran wieder erinnern. Wir fangen klein an und können alles schaffen.«

Dass Steffen Krach einst das Abitur ablegen konnte, lag daran, dass er nicht aus kleinen Verhältnissen stammt, sondern aus einer »gutbürgerlichen Akademikerfamilie«. Seine Noten waren »schlecht«. Ohne seine Herkunft hätte er in der bundesdeutschen »Bildungslotterie« wahrscheinlich von seinen Lehrern gesagt bekommen, dass er auf eine Real- oder Hauptschule gehöre. So erzählt er das selbst. Er empfand das als ungerecht. Beim Fußball auf dem Bolzplatz sei es anders gewesen. Da hätten für alle die gleichen Regeln gegolten. Darum sei er Sozialdemokrat geworden und habe andere Studenten beraten, wie sie Bafög bekommen können. Er selbst brauchte dieses Geld nicht, weil seine Eltern genug hatten.

»Überall, wo Kai Wegner im Wahlkampf hinkommt, werde ich schon gewesen sein.«

Steffen Krach SPD-Spitzenkandidat

Studiert hat der in Hannover geborene Krach zunächst in Göttingen. 2002 wechselte er dann an die Freie Universität Berlin. In der Hauptstadt kam er mit seiner Frau Kim zusammen. Hier sind ihre drei Kinder geboren. Von 2016 bis 2021 war er Staatssekretär in der Senatswissenschaftsverwaltung. Erst dann zog er zurück nach Hannover, wo er Regierungspräsident wurde. Er kenne den Berliner Alltag, auch wenn er wie die Hälfte der Berliner nicht in dieser Stadt geboren sei, versichert der 46-Jährige. Er sagt: »Überall, wo Kai Wegner im Wahlkampf hinkommt, werde ich schon gewesen sein.«

»Die größte Gefahr für unsere Demokratie ist ganz eindeutig die AfD«, meint Krach in seiner Bewerbungsrede im nhow-Hotel. Demonstranten, die draußen ein Verbot der AfD gefordert haben, hat er zugesichert: »Auf uns könnt ihr euch verlassen!« Doch auch wenn Frust nicht entschuldige, eine rechtsextreme Partei anzukreuzen – mit den Wählern der AfD will Krach sprechen, auch wenn das schwer sei und auch wenn er von ihnen beleidigt wird. Sie »rechts liegenzulassen« könnte sich die SPD nach seiner Meinung nur leisten, wenn es fünf, sechs oder sieben Prozent wären. Aber es seien zu viele. Man müsse um sie kämpfen. Auf die CDU sei dabei kein Verlass. Die Linke sei zwar klar gegen rechts, räumt Krach ein. Aber sie polarisiere so stark, dass sie das Problem nicht lösen könne. Die Grünen seien ebenfalls klar in ihrer Haltung, bloß könne deren Klientelpolitik auch nicht die Lösung sein.

Die SPD sei die einzige Partei für die ganze Stadt, behauptet Krach. Schon als sich abzeichnete, dass er Spitzenkandidat werden soll, hatte er versprochen, noch bis Jahresende jeden Wahlkreis zu besuchen. 65 der 78 Wahlkreise hat Krach jetzt bereits abgeklappert und will bis zur Wahl mehr als einmal dort gewesen sein.

Die Berliner SPD rutschte ab von Rang eins auf drei. Mit Steffen Krach soll es wieder aufwärts gehen.
Die Berliner SPD rutschte ab von Rang eins auf drei. Mit Steffen Krach soll es wieder aufwärts gehen.

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