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- Maut-Skandal
Ex-Verkehrsminister Scheuer angeklagt
Berliner Staatsanwaltschaft wirft Andreas Scheuer (CSU) Falschaussage vor
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den ehemaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erhoben. Der ehemalige Staatssekretär im Verkehrsministerium Gerhard Schulz, parteilos, ist ebenfalls angeklagt. Scheuer wird vorgeworfen, vor dem Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestages im Oktober 2020 eine uneidliche Falschaussage getätigt zu haben.
Er erklärte damals, seiner Erinnerung nach habe es von der Autoticket GmbH, dem vorgesehenen Betreiberkonsortium aus CTS Eventim und Kapsch Traffic Com, kein Angebot gegeben, den Vertragsabschluss auf einen Zeitpunkt nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof zur Legalität der geplanten Maut zu verschieben. Manager der genannten Firmen hatten vor dem Ausschuss von diesem Angebot berichtet, das Scheuer jedoch abgelehnt haben soll.
Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt seit Mai 2022 gegen den Ex-Verkehrsminister und früheren Verkehrsstaatssekretär. Scheuer stand im Verdacht, »bewusst wahrheitswidrig« ausgesagt zu haben. Es ist das erste Mal, dass ein ehemaliger Bundesminister wegen einer Falschaussage angeklagt wurde. Angesichts der Bedeutung des Falls erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Landgericht.
Gegenüber der »Bild« erklärte Scheuer, die Anklage sei für ihn »nicht nachvollziehbar und macht mich betroffen«. Die Motive für die Anklage erschienen ihm politisch motiviert. So kritisiert Scheuer, dass der Staatsanwalt das mediale »Sommerloch« als Zeitpunkt für die Anklageerhebung nutze.
»Täuschung gehörte von Beginn an zu seinem politischen Handeln.«
Jorrit Bosch Sprecher für Verkehrspolitik der Linksfraktion im Bundestag
Kritik kommt von der Linken. So äußert sich Jorrit Bosch, Sprecher der Bundestagsfraktion für Verkehrspolitik, Straßenverkehr und Infrastruktur gegenüber »nd«, dass ihn die Anklage von Scheuer wegen Falschaussage nicht überrasche. »Täuschung gehörte von Beginn an zu seinem politischen Handeln. Sein Maut-Desaster hat trotz Warnungen Millionen an Steuergeldern verschlungen.« Er habe das Vertrauen der Menschen in die Politik massiv beschädigt. Bosch weiter: »Solange Minister für Verschwendung und Täuschung keine persönliche Verantwortung übernehmen, bleibt Politik für viele Bürger*innen unglaubwürdig.«
Ähnlich klingt es bei den Grünen. So erklärt Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, Andreas Scheuer habe »statt seriöser Politik für das Land« nur »zum Wohle der CSU« gehandelt. Die Union müsse nun aufarbeiten, »warum es immer wieder passiert, dass sie Politik gegen die Bevölkerung macht«.
Die Ausländermaut war das Prestige-Projekt der CSU. Nur Halter*innen von im Ausland registrierten Pkws sollten zahlen. 2013 setzte die CSU sie im Koalitionsvertrag durch. Die EU-Kommission klagte jedoch 2014 und zog das Vertragsverletzungsverfahren erst nach mehreren Anpassungen des Maut-Modells im Dezember 2016 zurück. Daraufhin reichte Österreich jedoch im Oktober 2017 Klage gegen die deutsche Pkw-Maut beim Europäischen Gerichtshof ein.
Im Juni 2019 erklärte der Europäische Gerichtshof die Maut für illegal, da diese eine indirekte Diskriminierung von EU-Ausländern darstelle. Andreas Scheuer musste die kurz zuvor unterschriebenen Mautverträge wieder kündigen und die betroffenen Firmen klagten auf Schadenersatz. Nach einem vierjährigen Verfahren vor einem Schiedsgericht einigte sich die Bundesrepublik Deutschland mit dem Mautkonsortium im Juli 2023 auf eine Entschädigung in Höhe von 243 Millionen Euro.
Der Bericht des Maut-Untersuchungsausschusses vom Juni 2021 übte scharfe Kritik an Scheuer: Er sei Hauptverantwortlicher, habe Verträge fehlerhaft gestaltet und Risiken ignoriert. »Seine Arbeit bei der Umsetzung der Pkw-Maut zeichnete sich durch grobe Fahrlässigkeit, Rechtsbruch und schlechte Führung« aus. Er habe die Interessen seiner Partei über das Allgemeinwohl gestellt und »ist als Minister nicht mehr tragbar«. Scheuer blieb bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 im Amt und zog danach abermals in den Bundestag ein. mit Agenturen
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