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Selenskyj auf Ablenkungstour

Während der ukrainische Präsident immer stärker unter Druck gerät, macht er im Ausland Versprechen, die er kaum einhalten kann

Wer soll das bezahlen. Wolodymyr Selenskyj will von Frankreich 100 Kampfjets kaufen. Doch hinter der Finanzierung steht ein gewaltiges Fragezeichen.
Wer soll das bezahlen. Wolodymyr Selenskyj will von Frankreich 100 Kampfjets kaufen. Doch hinter der Finanzierung steht ein gewaltiges Fragezeichen.

100 Kampfjets will die Ukraine von Frankreich kaufen, dazu noch Flugabwehr. Wolodymyr Selenskyj hatte Großes zu verkünden am Montag im Hangar eines Militärflugplatzes am Rande von Paris. Und er griff noch eine Etage höher im PR-Sprech: Es wird das großartigste Flugabwehrsystem werden. Von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der wie Selenskyj zunehmend den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung verliert, gab es noch warme Worte der Unterstützung und die erneute Andeutung, ausländische Truppen könnten in der Ukraine stationiert werden.

Doch beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass all die netten Worte, die Selenskyj und Macron austauschten, all die Ankündigungen neuer Waffen, um die russische Invasion zu beenden, nichts weiter als eine PR-Maßnahme und ein Ablenkungsmanöver für Selenskyj sind, dessen Präsidentschaft durch den massiven Korruptionsskandal rund um seinen Vertrauten Timur Minditsch in Gefahr geraten könnte.

Positive Schlagzeilen dringend gesucht

Selenskyj braucht dringend positive Schlagzeilen. Dabei liest sich der Frankreich-Besuch kurzgefasst wie folgt: Die Ukraine schließt Verträge über Waffen ab, die es noch gar nicht gibt (und kein Mensch kann sagen, wann sie denn in der Ukraine eintreffen sollen) und will sie mit Geldern bezahlen, von denen niemand weiß, woher sie kommen sollen.

Am Mittwoch soll in Istanbul der nächste Löschversuch des Korruptionsskandals gestartet werden. Völlig überraschend kündigte Selenskyj am Dienstag an, in die Türkei zu reisen, um dort bei Treffen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan und dem US-Sondergesandten Steve Witkoff die Friedensverhandlungen »wiederbeleben« zu wollen. Die Partner sollen laut Selenskyj »ausgearbeitete Entscheidungen« präsentiert bekommen. Dabei hatte der stellvertretende Außenminister Serhij Kyslyzja erst vor einer Woche den Ausstieg Kiews aus den Verhandlungen erklärt, da es »keinen substanziellen Fortschritt« gebe. Gerüchten zufolge könnte Selenskyj in Istanbul den Forderungen der Trump-Administration bezüglich der Friedensverhandlungen nachgeben und im Gegenzug ein Ende der US-Unterstützung für das Nationale Antikorruptionsbüro (Nabu) fordern, um seinen Hals zu retten.

Politische Krise spitzt sich zu

In der Ukraine hat die Korruptionsaffäre die Regierung in eine tiefe und langwierige Krise gestürzt. Sich auf den berühmt-berüchtigten »Einzelfall« zu berufen, ist schlicht nicht mehr möglich, hält unter anderem die Ukrajinska Prawda fest. Auch der Versuch, die Menschen mit Bauernopfern zu besänftigen, scheint vorerst gescheitert. Am Mittwoch besetzte die Opposition im Parlament die Rednerbühne und verhinderte die von Selenskyj angeordnete Absetzung von Justizminister Herman Haluschtschenko und Energieministerin Switlana Hryntschuk, die beide als Vertraute Minditschs gelten. Die Opposition fordert die Absetzung des gesamten Kabinetts.

Nach der erfolgreichen Revolte meldete der Abgeordnete Jaroslaw Schelesnjak, dass am Mittwoch neben Haluschtschenko und Hryntschuk Vize-Premier Dmytro Kuleba und Filipp Pronin, Leiter der Staatlichen Finanzaufsicht, entlassen werden sollen. Sowohl Kuleba als auch Pronin gelten als enge Vertraute von Selenskyjs Büroleiter Andrij Jermak.

Selenskyjs Büroleiter steht auf der Kippe

Auch der übermächtige Jermak selbst, der als graue Eminenz und Strippenzieher gilt, steht zunehmend in der Kritik von Öffentlichkeit und Parlament, immer lauter werden die Rücktrittsforderungen. Genau das könnte ukrainischen Berichten zufolge am Donnerstag nach der Rückkehr aus der Türkei geschehen. Dafür will sich Selenskyj sogar mit den Abgeordneten seiner Partei Diener des Volkes treffen, die er erst vor Kurzem als »unnütze Idioten« bezeichnet und jeglichen weiteren Kontakt zu ihnen vermieden hatte.

Selenskyj müsse endlich mit der Propaganda aufhören und offen über die Zustände reden, fordern immer mehr Beobachter im In- und Ausland. So wird im Donbass mit jedem Tag offensichtlicher, dass Selenskyj der Welt monatelang Lügen aufgetischt hat, was das Kampfgeschehen betrifft. Mit der Verheimlichung der Realität habe der ukrainische Präsident den Zeitpunkt für Verhandlungen verpasst, die Tausenden Soldaten das Leben gerettet hätten, so ein Vorwurf. Stattdessen kann Moskau nun bestimmen, wie der Krieg dort endet.

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