- Politik
- Bundesverfassungsgericht
Radio Dreyeckland: Link-Durchsuchung war rechtswidrig
Bundesverfassungsgericht konstatiert Angriff auf Rundfunkfreiheit von Radio Dreyeckland in Freiburg
Die Razzien in der Wohnung des Redakteurs Fabian Kienert sowie in Räumen des Radio Dreyeckland (RDL) in Freiburg waren verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht bereits am 3. November auf eine Beschwerde, die Kienert gemeinsam mit Rechtsanwältin Angela Furmaniak und der Gesellschaft für Freiheitsrechte 2023 in Karlsruhe eingelegt hatte. Das Radio machte die Entscheidung am Mittwoch bekannt. Frühere Gerichtsbeschlüsse hätten den Sender und seinen Mitarbeiter in ihrem Grundrecht auf Rundfunkfreiheit verletzt, heißt es in dem von RDL zur Verfügung gestellten Urteil.
Im Januar 2023 hatte die Freiburger Polizei auf Geheiß der Staatsanwaltschaft Karlsruhe die Wohnung des Journalisten, die eines Geschäftsführers und die Redaktion von RDL durchsucht. Anlass war ein von Kienert gezeichneter Bericht über das Verbot von linksunten.indymedia, in dem auf eine gespiegelte Archivseite der 2017 vom Bundesinnenministerium nach dem Vereinsgesetz verbotenen Internetplattform verlinkt wurde. Die Staatsanwaltschaft sah darin eine strafbare Unterstützung der angeblichen Vereinigung. Die Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Karlsruhe wurde in einem Beschwerdeverfahren Kienerts vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart bestätigt. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde war nun erfolgreich.
Das Verfassungsgericht betont in seinem Beschluss, dass die Rundfunkfreiheit als subjektives Recht die Freiheit von staatlichem Zwang garantiere. Der Grundrechtsschutz vor derartigen Eingriffen beziehe sich auch auf Wohnräume, die »ein funktionales Äquivalent zu den Räumen eines Rundfunkunternehmens darstellen«. Durchsuchungen seien dort zwar grundsätzlich möglich, jedoch müsse dies mit Grundrechten abgewogen werden. Das sei bei den Razzien wegen eines Links zu »Linksunten« nicht erfolgt: Die Staatsanwaltschaft habe ihren Tatverdacht der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung »auf vage Anhaltspunkte und auf bloße Vermutungen« gestützt.
»Ich hoffe, dass das Urteil dazu beiträgt, dass Behörden Grundrechte ernster nehmen.«
Fabian Kienert RDL-Redakteur
Im aktuellen Urteil ging es auch um die Frage, ob die verbotene Plattform linksunten.indymedia überhaupt noch aktiv war und mithin von Kienert unterstützt werden konnte – so behauptete es die Staatsanwaltschaft. Das OLG Stuttgart hatte dies als »Nachhaltigkeit« bestätigt, da bis in die jüngste Vergangenheit juristisch gegen das Vereinsverbot vorgegangen worden sei. So hatten fünf als angebliche Betreiber*innen von Linksunten Verfolgte vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die Abschaltung der Webseite geklagt. Ein solcher Rechtsweg begründe aber keine Tatsache, aufgrund derer ein Anfangsverdacht gegen RDL und seinen Redakteur gestützt werden könne, meint nun das Bundesverfassungsgericht.
»Ich hoffe, dass das Urteil dazu beiträgt, dass Behörden Grundrechte ernster nehmen«, sagte Fabian Kienert am Mittwoch. Bereits 2024 hatte ihn das Landgericht Karlsruhe vom Vorwurf der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung freigesprochen: Sein Artikel mit Link zu Linksunten stellte keine Unterstützung der Archivseite dar. Eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Razzien traf jenes Urteil aber noch nicht.
Der Sender fordert nun politische und personelle Konsequenzen aus dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Zwar wird kein Name genannt, doch dürfte sich dies besonders gegen den in der Sache ermittelnden Staatsanwalt Manuel Graulich richten. Er gilt als Hardliner gegen die linke Szene in Baden-Württemberg und war auch für die Razzien gegen RDL verantwortlich. Zwischenzeitlich wollte Graulich dem Redakteur Kienert und dem Freien Radio sogar eine direkte Beteiligung an »Linksunten« anhängen.
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.