AfD: Russenstusser vs. Westextremisten

Rund um eine Reise streitet die AfD über ihr Verhältnis zu Russland und den USA

2021 war Alice Weidel noch gerne in Moskau zu Gast, mittlerweile geht sie auf Distanz zu Russland.
2021 war Alice Weidel noch gerne in Moskau zu Gast, mittlerweile geht sie auf Distanz zu Russland.

Das »ehrliche Interesse« von russischen Vertretern an der AfD als »künftiger Regierungspartei« sei das politisch Wertvollste, was er von seiner Reise nach Sotschi mitnehme, erklärt der sächsische AfD-Chef Jörg Urban. Er schwärmt in einem Interview mit dem extrem rechten Magazin »Compact« über seinen Besuch beim »Brics-Europa-Symposium«. Er, der kleine Landespolitiker, habe Beifall für seine Rede bekommen, in der er für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland plädierte. Der größte Wermutstropfen für Urban: Fürs Skifahren war keine Zeit. Aber das ließe sich bestimmt nachholen. Der AfD-Landespolitiker will nicht zum letzten Mal in Sotschi gewesen sein.

Immerhin keine Selfies auf der Skipiste, möglicherweise noch mit Kreml-Politikern, werden sich einige in der AfD-Führung gedacht haben. Die Russland-Reise von Jörg Urban und weiteren AfD-Politikern war vorab nicht unumstritten. Ein Grund dafür war eine ähnliche Reise im vergangenen Jahr. Der Bundestagsabgeordnete Rainer Rothfuß postete damals ein Video von sich am Swimmingpool, auf einem anderen Bild war er mit Russlands Kurzzeitpräsident Dmitri Medwedjew zu sehen. Mit Medwedjew wollte Rothfuß diesmal sogar an einer Diskussionsrunde teilnehmen. Rothfuß sagte seine Teilnahme an der Reise ab, nachdem Kritik geäußert worden war. Die prominenteste Kritikerin der Besuche in Russland ist Alice Weidel. Sie sagte: »Ich selbst würde dort nicht hinreisen. Ich würde es auch niemandem empfehlen, weil ich nicht weiß, was letztendlich das Ergebnis sein soll.« Kurz vor der Abreise gab die Parteichefin dem Europaabgeordneten Hans Neuhoff, dem Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Jörg Urban dann noch Verhaltenstipps mit: Sie sollten auf Social-Media-Posts verzichten, keine Fotos mit russischen Politikern machen und sich in Interviews zurückhalten.

Daran haben sich die AfD-Politiker nicht gehalten. Neben der engen Reisebegleitung durch »Compact« gaben sie auch russischen, regierungsnahen Medien Interviews. Rothfuß postete ein Video von Dmitri Medwedjew, in dem dieser die Ukraine als »Abszess« bezeichnete, der »aufgestochen« werden müsse. Über die AfD sagte der Kurzzeitpräsident, dass großer Druck auf sie ausgeübt werde, sie aber auch viel »Autorität« genieße.

Was Medwedjew sagte, passte gut zu den Erklärungen der Russlandreisenden, die allesamt beteuerten, in der AfD gebe es keinen Streit über die Positionierung zu Russland, das sei nur eine Kampagne der CDU. Tatsächlich hat die CDU vor einigen Wochen die Devise ausgegeben, die AfD als vaterlandslose Gesellen und Putin-Partei zu brandmarken. Als Spaltkeil funktioniert das aber nur, weil es in der AfD reale Konflikte gibt.

Die CDU hat die Devise ausgegeben, die AfD als vaterlandslose Gesellen und Putin-Partei zu brandmarken.

Seit Donald Trump wieder US-Präsident ist, gibt es aus der US-Regierung viele Sympathiebekundungen für die AfD. Elon Musk unterstützte sie im Bundestagswahlkampf, US-Vizepräsident JD Vance traf sich mit Alice Weidel am Rand der Münchener Sicherheitskonferenz und mehrfach waren AfD-Politiker in den vergangenen Monaten in den USA und trafen sich dort unter anderem mit Vertretern rechter Thinktanks.

Grund für die neue Zuneigung zu den USA sind nicht nur ideologische Überschneidungen mit der Maga-Bewegung, sondern auch innenpolitische Erwägungen. Auch wenn in der CDU auf allen Ebenen Kritik an Donald Trump geäußert wird, ist der US-Präsident, im Gegensatz zu Wladimir Putin, doch ein akzeptierter Partner. Bekennt sich die AfD zu Trump und den USA, so können Christdemokraten das auch als Bekenntnis zu Nato und Westbindung wahrnehmen. Was die AfD für sie koalitionsfähig machen würde.

Teile der AfD, vor allem aus Westdeutschland, arbeiten darauf hin. Die AfD soll endlich politische Verantwortung übernehmen. Die Nato-Mitgliedschaft und die enge Kooperation mit den USA sind für sie kein Problem. Parteiinterne Kritiker bezeichnen diese Strömung gerne als »Westextremisten«. Auf der anderen Seite stehen in der AfD die »Russenstusser«, die an eine enge deutsch-russische Partnerschaft glauben. Den Vorwurf, ein »Russenstusser« zu sein, musste sich jüngst Tino Chrupalla gefallen lassen. In der ZDF-Talkshow »Markus Lanz« erklärte er, keine Sorge wegen Russland zu haben. Putin habe ihm »persönlich nichts getan« und jedes Land der Welt, etwa Polen, könne Deutschland angreifen.

Streit zwischen den beiden Parteichefs Weidel und Chrupalla? Den Eindruck versucht die AfD zu vermeiden, sie verschickte kürzlich eine Meldung im Namen der beiden: »Wir werden als Bundessprecher der Alternative für Deutschland auch zukünftig gemeinsam Politik für Deutschland und seine Bürger machen. Dafür pflegen wir die guten Beziehungen zu unseren europäischen und internationalen Partnern.« Eine dünne Mitteilung, die nicht nach mehr als Burgfrieden klingt. Die Frage, wie sie es mit den USA und Russland hält, wird die AfD auch in Zukunft beschäftigen. Gelingt es der Partei zwischen Trump- und Putin-Nähe zu lavieren, ohne offen zu streiten, dürfte ihr das nicht schaden. Streitet sie öffentlich, wird das irgendwann auch beim Wähler schlecht ankommen.

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