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Kalifornien vor der Wahl: Sozialkürzungen oder Milliardärssteuer
Nach Trumps Spardiktat will der demokratische Gouverneur Gavin Newson Sozialausgaben kürzen. Gewerkschaften fordern eine Vermögenssteuer
In Kalifornien droht eine große Haushaltskrise. Trumps Budget-Kahlschlag wird dem Bundesstaat bald 30 Milliarden im Jahr kosten. Die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU empfiehlt als Lösung eine einmalige fünfprozentige Vermögenssteuer für Kaliforniens 255 Milliardäre, die insgesamt 2 Billionen Dollar besitzen. Das brächte dem Bundesstaat eine Summe von 100 Mrd. Dollar. Der demokratische Gouverneur Gavin Newsom setzt stattdessen auf eine Rosskur im Sozialstaat.
Beim ersten Szenario würde Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mehr als 10 Milliarden Steuern aufbringen müssen. Es wäre eine Maßnahme gegen den Überfluss: Laut New York Times besitzt der Multi-Milliardär allein in Palo Alto elf Anwesen. Im Januar beginnt die Gewerkschaft der Gesundheitsarbeiter United Healthcare Workers (SEIU-UHW) eine Unterschriftensammlung an, damit bei den Wahlen Ende nächsten Jahres über den »2026 Billionaire Tax Act« abgestimmt werden kann. Die SEIU-UHW gibt sich überzeugt, dass die nötige Zahl von 875 000 Unterschriften erreicht werden wird. Die Gesetzesinitiative sieht vor, dass 90 Prozent des Steueraufkommens für die Subventionierung der Krankenversicherung verwendet werden. Die SEIU befürchtet ansonsten den Verlust von 145 000 Jobs in Kaliforniens Gesundheitssektor. Außerdem würden 3,4 Millionen Bürger*innen ihre Krankenversicherung verlieren.
Die Gewerkschaft der Gesundheitsarbeiter United Healthcare Workers sammelt Unterschriften für eine Vermögenssteuer.
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Gouverneur Newsom stellt sich gegen den Gewerkschaftsvorschlag. Bereits in diesem Jahr versuchte er angesichts eines Haushaltsdefizits von 12 Mrd. Dollar einen Kahlschlag zu initiieren. Alle Bürger mit einem Gesamtvermögen von mehr als 2000 Dollar sollten ihre subventionierte Krankenversicherung verlieren. Die Online-Zeitschrift Cal-Matters berichtet über die Situation von Cynde Soto, die als Querschnittsgelähmte seit jeher von der kalifornischen Krankenversicherung abhängig ist. Aufgrund einer Erbschaft von 8000 Dollar sollte Cynde Soto ihre Berechtigung auf Zuschüsse verlieren – so wollte es Newsom. Das kalifornische Parlament zog aber nicht mit, sondern hob die Grenze auf 130 000 Dollar an.
Kalifornien ist zwar ein sehr reicher Bundesstaat, in dem ein Fünftel der US-Milliardäre wohnen. Gleichzeitig aber hat er die höchste Armutsrate im ganzen Land. Die enormen sozialen Gegensätze sorgen für progressive Vorschläge. In San Francisco etwa will die Stadtregierung eine neue Besteuerung von Spitzenmanagern umsetzen. Der kalifornische Lehrerverband will die Verlängerung einer Sondersteuer für alle Bürger, die mehr als 340 000 Dollar verdienen, um damit das Schulsystem zu finanzieren.
Es sind so viele Vorschläge im Umlauf, dass die Anti-Steuer-Lobby nicht mehr recht hinterherkommt. Der Verein der Steuerzahler (HJTA) kann auch deshalb nur eingeschränkt auf die Gewerkschaftskampagne für eine Milliardärssteuer reagieren, weil die HJTA selbst eine Gesetzesinitiative gestartet hat, um Lokalregierungen die Erhöhung von Steuern zu untersagen. Dabei setzt die HJTA auch auf die Hilfe von Gouverneur Newsom, der bereits eine Anti-Steuer-Kampagne ins Leben gerufen hat: »Stop the Squeeze« (Stoppt die Ausbeutung).
Der Wirtschaftswissenschaftler Emmanuel Saez aus Berkeley hält den Vorschlag der Gewerkschaft SEIU hingegen für ein Projekt, das weltweit Schule machen sollte. Denn die Steuer betrifft das gesamte Vermögen: von Aktien und Urheberrechten bis hin zu Flugzeugen und Häusern – unabhängig davon, wo sich die Vermögensposten befinden. Saez, der die Gewerkschaft beraten hat, lobt die Gesetzesinitiative auch deshalb, weil sie so angelegt ist, dass Milliardäre sich nicht einfach durch Wegzug entziehen können. Das Gesetz würde rückwirkend angewandt werden. Alle Milliardäre, die 2025 in Kalifornien lebten, würden besteuert.
Nichtsdestotrotz erwarten Gegner, dass viele Milliardäre den Bundesstaat verlassen werden. Schon heute hat Kalifornien eine hohe Steuerlast: Es wird dort doppelt so viel für den Sozialstaat ausgegeben wie in Texas, wo sich Elon Musk mittlerweile niedergelassen hat. Auch das Beispiel von Jeff Bezos wird erwähnt: Der Amazon-Gründer ist 2023 aus Washington weggezogen, weil der Bundesstaat dort eine Vermögenssteuer von einem Prozent für Vermögen über 250 Millionen US-Dollar vorbereitete.
Ein häufig zu hörender Einwand ist auch, dass es kompliziert sei, das Vermögen der Superreichen zu bewerten. Die Washington Post – Eigentum von Jeff Bezos – polemisierte, dass sich Bürokraten ihre Köpfe zerbrechen müssten, um den Wert von »Rennpferden und Wein-Kollektionen zu schätzen«. Die Alternative allerdings wäre, die Ausgaben bei Menschen wie Cynde Soto zu kürzen. Welche Alternative gibt es in einem Bundesstaat, in dem die Mittelschichten keine höheren Steuern tragen wollen: Vermögensbesteuerung bei Mark Zuckerberg? Oder der Verlust der Krankenversicherung von Cynde Soto? In einem Jahr wählt Kalifornien.
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