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Berliner SPD: Die Partei frisst ihre Vorsitzenden
Die SPD-Landesvorsitzenden Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini treten zurück
Nachdem am Sonntag bekannt geworden ist, dass die Landesvorsitzenden Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini zum Monatsende zurücktreten, rumort es in der Berliner SPD. Aus mehreren Bezirksverbänden wird Bedauern über den Rücktritt gemeldet. Prominente SPD-Köpfe wie Ex-Bürgermeisterin Franziska Giffey rufen dazu auf, für den kommenden Wahlkampf die Reihen zu schließen.
Auf einer Pressekonferenz am Montag im Kurt-Schuhmacher-Haus liefern die beiden Noch-Vorsitzenden Erklärungen für ihren Schritt. Man sei regelmäßig an Grenzen gestoßen, sagt Martin Hikel. Diese Grenzen haben sich in den vergangenen Wochen auch in Wahlschlappen für die beiden Vorsitzenden ausgedrückt. Hikel, amtierender Neuköllner Bezirksbürgermeister, wollte erneut für das Amt kandidieren. Auf der Wahlversammlung des SPD-Kreisverbandes vor zwei Wochen hatte er aber nur 68,5 Prozent der Stimmen bekommen. Er zog seine Kandidatur zurück. »Eine Nominierung ist ein Signal, das nach außen geht«, sagt er. Das Wahlergebnis sei ein klares Zeichen dafür, dass ihm nicht vertraut werde.
Nicola Böcker-Giannini wurde am Wochenende vom Reinickendorfer SPD-Kreisverband ein Listenplatz verwehrt. Sie hatte sich auf den dritten Platz der Liste beworben. »In fast jedem anderen Landesverband wäre es logisch, dass eine Landesvorständin auf Platz eins kandidiert«, sagt Böcker-Giannini. Jetzt habe man gemerkt, dass das in Berlin nicht so ist. Die Wahlschlappe war dann wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. »Für uns ist ein Amt kein Selbstzweck«, sagt Hikel. In der Rückschau bewerten die beiden Landesvorsitzenden ihre eineinhalb Jahre Arbeit durchaus positiv. Eine »große Parteireform« habe man umsetzen können, auch Strukturen im Kurt-Schumacher-Haus habe man geändert. Und mit Steffen Krach, dem Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2026 auch einen personellen Wandel eingeläutet. Der bekommt nun noch mehr Verantwortung: Ab Dezember wird er auch den Posten des Landesvorsitzenden übernehmen.
Bei all dem Erfolg gab es aber auch Probleme. »Wir waren ein Stück weit Projektionsfläche«, sagt Böcker-Giannini. Sie sei laut eigenen Aussagen in der Parteilinken organisiert gewesen. Hikel und sie galten aber immer als Vertreter des rechten Flügels. Manche Diskussionen darüber, wie man Umverteilung und Solidarität in der Stadt neu definieren könne, habe man nicht führen können, so Hikel. Als Beispiel führt er die Debatten über das kostenlose Schulessen an. Hikel und Böcker-Giannini hatten sich dafür ausgesprochen, die Kostenfreiheit an die soziale Lage von Familien zu koppeln. »Es gab wenig Bereitschaft, in den Gremien darüber zu sprechen«, so Hikel.
Allerdings sieht er die Schwierigkeiten nicht als Ergebnis von Flügelkämpfen. Man habe Brücken zu den verschiedenen Lagern gebaut, sagt Hikel. Es sei um Machtfragen gegangen. Ob es eine »choreografierte Strategie« gegen den Landesvorstand gegeben habe, könne er aber nicht beantworten. Böcker-Giannini weist auf die schwierige Situation der Partei hin – vor allem bei parteiinternen Aufstellungsverfahren. »Dadurch, dass wir als SPD bei 13 Prozent stehen, ist der Druck größer.« Das treffe immer Personen, die gerne ein Amt hätten oder eines innehaben.
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