Finale Bewährungsprobe für die DFB-Frauen

In den Endspielen der Nations League wollen die deutschen Fußballerinnen den ersten Titel seit 2016 holen

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Franziska Kett (r.) und die DFB-Frauen wollen in den Finalspielen gegen Spanien auch die offene Rechnung aus dem EM-Halbfinale im vergangenen Sommer begleichen.
Franziska Kett (r.) und die DFB-Frauen wollen in den Finalspielen gegen Spanien auch die offene Rechnung aus dem EM-Halbfinale im vergangenen Sommer begleichen.

Christian Wück ist ein Mann klarer Ansagen. Wenn dem Bundestrainer etwas nicht passt, handelt sich das Frauen-Nationalteam auch schon mal einen kräftigen Anpfiff ein. Gleich beim Auftakttraining auf dem DFB-Campus unterbrach Wück mit einem lauten Pfiff das Kleinfeldspiel unter Flutlicht. »Was ist denn das Problem? Wichtig, dass ihr im Ballbesitz bleibt. Klare Kommunikation!« Zu wenige Absprachen und zu viele Abspielfehler sollten sich die deutschen Fußballerinnen eben nicht leisten, wenn es bereits an diesem Freitag im Hinspiel des Nations-League-Finales gegen Spanien geht.

Der 52-Jährige hat genau studiert, warum Schweden – immerhin Deutschland-Bezwinger bei der EM im Sommer – im Halbfinalhinspiel gegen Spanien mit 0:4 heftig unter die Räder kam. Oder warum der FC Bayern zum Champions-League-Auftakt beim FC Barcelona mit 1:7 eine Lehrstunde erhielt. »Das darf uns nicht passieren«, warnt Wück. Bereits aus der EM-Analyse hatte der Bundestrainer herausgefiltert: »Wir müssen uns mit Ball verbessern, im ersten Kontakt, im Passspiel. Wir müssen selbstverständlicher werden im Spiel mit dem Ball. Die Spanierinnen denken über viele Technik-Basics nicht nach: Sie machen es einfach mit dem One-Touch-Kombinationsspiel.« Sich mit jenem Team zu messen, das international den spielerischen Maßstab darstellt, kommt daher wie gerufen, um den Lernfortschritt seit der Europameisterschaft zu überprüfen.

Kräftiger Schub oder herber Dämpfer?

Zumal Wück findet: »Solche Finalspiele sind einfach Highlights für jede Fußballerin, für jeden Trainer. Dafür arbeiten wir jeden Tag.« Weder Steffi Jones, Horst Hrubesch noch Martina Voss-Tecklenburg, die bei der EM 2022 immerhin ein Finale erreichte, haben die früher von Erfolg zu Erfolg eilenden DFB-Frauen zu einem Titel führen können. Der Olympiasieg 2016 zum Abschied der damaligen Bundestrainerin Silvia Neid war die letzte Grußbotschaft der früheren Vorherrschaft. Jetzt haben Wück und sein Team die Chance, diese Durststrecke zu beenden.

Dafür gilt es, sich für das Rückspiel in Madrid im Estadio Metropolitano am Dienstag eine realistische Chance zu erhalten. Man würde dem Gegner die Trophäe am liebsten dort wegnehmen, »wo es besonders wehtut: in Spanien«, erklärte der Bundestrainer. Keine 24 Stunden nach dem Finalrückspiel in der spanischen Hauptstadt vergibt das Uefa-Exekutivkomitee am 3. Dezember in Nyon die Frauen-EM 2029, für die sich der DFB besonders ins Zeug gelegt hat. Entweder gibt es in der kommenden Woche also einen kräftigen Schub – oder einen herben Dämpfer für den deutschen Frauenfußball, obwohl beide Entscheidungen kaum im direkten Zusammenhang stehen. Die Spanien-Duelle sind eher verwoben mit den Erinnerungen an das verlorene Halbfinale bei der EM in der Schweiz.

Ann-Katrin Berger ist wieder dabei

»Die Niederlage tut immer noch weh«, gab die damals in Zürich in der Startelf stehende Rebecca Knaak jetzt in Frankfurt zu. »Wir haben aus dem vergangenen Duell auch unsere Lehren gezogen. Eine Rechnung ist auf jeden Fall noch offen.« Dass dafür zwei Endspiele angesetzt sind, findet die Abwehrspielerin von Manchester City »ein bisschen außergewöhnlich. Es ist nicht üblich, dass man zwei Finalspiele hat.« Rund 40 000 Zuschauer werden auf dem Betzenberg in Kaiserslautern erwartet. Würde die Uefa Stehplätze nicht verbieten, hätte es wohl ein ausverkauftes Haus gegeben. Aber auch so genießen Giulia Gwinn und die anderen Spielerinnen genügend Rückendeckung. Die nach einem gestrichenen Flug aus den USA verspätet eingetroffene Ann-Katrin Berger wird wieder zwischen den Pfosten stehen – und gewiss wird die 35-jährige Stammtorhüterin das kurze Eck diesmal besser zumachen als beim Geniestreich von Aitana Bonmatí im Züricher Letzigrund.

Bergers Vorderleute hat der Bundestrainer schon darauf vorbereitet, dass es »wieder wenig Ballbesitz« geben werde: »Wir wollen die Räume eng machen und sie dann bespielen. Und dann kommt die Effektivität ins Spiel: aus den Torchancen die Tore machen.« Die beiden in Bestform antretenden Stürmerinnen Klara Bühl und Nicole Anyomi sollen jene Effizienz einbringen, die in der Schweiz noch gefehlt hat. Basis bleibt indes eine Verteidigungshaltung wie bei der EM, als das deutsche Ensemble eine bemerkenswerte Opferbereitschaft zeigte. Und so sieht Wücks Matchplan vor: »Es werden elf gute Individualisten gegen ein Team verlieren. Und dieses Team wollen wir dann auf dem Platz sein.«

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