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Berliner sollen für Olympische Spiele brennen
Regierender Bürgermeister Kai Wegner und Baskettballerin Svenja Brunckhorst stehen zur Bewerbung der Hauptstadt
»Mein größter Traum waren immer die Olympischen Spiele«, erzählt Svenja Brunckhorst am Freitag im Roten Rathaus von Berlin. Einfach nur dabei sein ist angeblich alles. Aber für Brunckhorst war es das nicht. 2024 hat die Basketballerin nicht bloß an den Sommerspielen in Paris teilgenommen, sondern Gold geholt – in der Straßenvariante ihres Sports, bei der je drei Spieler pro Mannschaft alle auf einen einzigen Korb spielen. Das habe ihr Leben verändert, schwärmt die Olympiasiegerin. Vor anderthalb Jahren ist die 34-Jährige in die Hauptstadt gezogen und hier als Managerin beim Bundesligaverein Alba Berlin tätig. »Ich brenne für Olympia«, begründet Brunckhorst, warum sie die Bewerbung von Berlin für die Olympischen Spiele 2036, 2040 oder 2044 begrüßt.
Bei Brunckhorst muss der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) die Flamme der Begeisterung also nicht erst noch entzünden, wohl aber bei vielen anderen Einwohnern der Stadt. »Mein Ziel ist es, das olympische Feuer in die Herzen der Berliner zu tragen«, sagt Wegner am Freitag. 67 Prozent der Bevölkerung allerdings sind einer Meinungsumfrage zufolge dagegen, dass Berlin Olympische Spiele ausrichtet. Den CDU-Politiker ficht das nicht an. »Das eine ist die Umfrage, das andere ist die Stimmung, die ich wahrnehme«, erklärt Wegner. Ihm zufolge soll sich Berlin voll auf die Olympia-Bewerbung konzentrieren und nicht verzetteln, indem es auch noch die Weltausstellung Expo haben will.
Auf seiner Seite weiß Wegner die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) und den Verein Berliner Kaufleute und Industrieller. UVB-Hauptgeschäftsführer Alexander Schirp berichtet, im Präsidium seiner Organisation seien alle alt genug, um sich noch an die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland zu erinnern. So etwas Schönes würden die Unternehmer gern noch einmal erleben. Sie träumen von Aufträgen, die sie dann an Land ziehen könnten. Von Milliardensummen ist die Rede.
CDU-Politiker Wegner träumt ebenfalls, und zwar davon, dass angesichts von Hass, Spaltung und Verunsicherung die Spiele einen Beitrag leisten würden, dass Deutschland wieder enger zusammenrücke. Weil 90 Prozent der notwendigen Sportstätten bereits vorhanden seien und nur modernisiert werden müssen, stehe Berlin gegenüber den nationalen Mitbewerbern München, Hamburg und der Rhein-Ruhr-Region gut da, versichert Wegner.
Landessportbund-Präsident Thomas Härtel sieht die Spiele als große Chance, dass viele Turn- und Schwimmhallen endlich saniert werden. Seine Organisation sammelt Unterschriften, damit dies im Zuge der Spiele geschehen möge. Man sei auf der Zielgeraden und werde bis Weihnachten die für eine Volksinitiative nötigen 20 000 Unterschriften zusammen haben, sagt Härtel. Vier Monate wird es dann gedauert haben. Mit jedem, der unterschreiben sollte, sei über das Für und Wider Olympischer Spiele in Berlin diskutiert worden.
Anfang 2026 will ein Bündnis NOlympia seinerseits Unterschriften gegen die Bewerbung Berlins sammeln und ist überzeugt, die Marke von 20 000 sehr schnell zu erreichen. Unterstützt wird das Bündnis durch den Olympiasieger Christoph Harting. Der Diskuswerfer nannte eine kostspielige Bewerbung für Olympia am Donnerstag »absurd und populistisch«. Die Abgeordnete Klara Schedlich (Grüne) meinte, die Chancen für Berlin seien »super schlecht«, wo die Bevölkerung anders als in München gegen Olympische Spiele in der Stadt sei.
Auch das sieht der Regierende Bürgermeister Wegner anders. Er sei der »felsenfesten Überzeugung«, dass sich Berlin gegen die deutschen Mitbewerber durchsetzen werde, versichert er am Freitag. Mehr noch: Wenn Deutschland eine Chance habe, den Zuschlag für Olympische Spiele zu erhalten, dann nur mit Berlin, weil es international ausstrahle.
Dass im olympischen Dorf später Familien wohnen würden und dass der Zuschlag für die Spiele automatisch zu massiven Investitionen in Bus und Bahn führen würde, damit versucht Wegner die Skeptiker zu ködern. Sein Olympia-Beauftragter Kaweh Niroomand gibt zu: »Wir sind eine unruhige Stadt.« Es werde hier niemals dazu kommen, dass bei einer Idee sofort alle »super« sagen. Aber aus dieser Unruhe schöpfe die Stadt ihre Energie. Niroomand richtet sich angesichts der Skepsis in Berlin an einem anderen Umfrageergebnis auf: 72 Prozent der Bundesbürger seien dafür, dass Deutschland Olympische Spiele ausrichtet. »Warum sollte Berlin da eine Ausnahme sein?«
Das Argument, Berlin könne sich die größte Veranstaltung der Welt finanziell nicht leisten, versucht Sportbundpräsident Härtel wegzuwischen. Er rechnet vor, dass von den 4,5 Milliarden Euro, die die Durchführung der Olympischen Spiele und der daran gekoppelten Paralympischen Spiele von Paris gekostet habe, zusammen nur 0,2 Milliarden vom Staat Frankreich und von der Stadt Paris für die Paralympics geflossen seien. Der Rest sei von Sponsoren gekommen.
Die Entscheidung, wer der deutsche Bewerber für die Olympischen Spiele sein soll, fällt am 26. September 2026 – fünf Tage nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl. Aus dieser Wahl könnte die olympiaskeptische Linke als Sieger hervorgehen und eine Koalition mit den ebenfalls skeptischen Grünen bilden. Bis zu den Olympischen Spielen 2036 würde es dann allerdings noch zwei weitere Wahlen geben.
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