Kampf gegen Malaria droht zu kippen

Geldmangel, Klimawandel und Kriege führten zu mehr Krankheitsfällen

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 4 Min.
Malariaimpfungen senkten nach Angaben der WHO die Kindersterblichkeit.
Malariaimpfungen senkten nach Angaben der WHO die Kindersterblichkeit.

Dank internationaler Kooperation und medizinischer Innovationen rettete der Kampf gegen Malaria bis zu 14 Millionen Menschenleben seit der Jahrtausendwende. Doch die Fortschritte drohen zu kippen. Der aktuelle Malaria-Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeichnet für 2024 ein düsteres Bild: 282 Millionen Menschen erkrankten an den durch Anopheles-Mücken übertragenen Parasiten – neun Millionen mehr als im Vorjahr. 610 000 Menschen starben. 95 Prozent der Todesfälle ereigneten sich in der WHO-Afrika-Region, die meisten davon bei Kindern unter fünf Jahren in Subsahara-Afrika.

»Es sterben immer noch zu viele Menschen an einer Krankheit, die vermeidbar und heilbar ist«, mahnte Daniel Ngamije, Direktor des WHO-Malariaprogramms, bei der Vorstellung des Berichts in Genf. Die größte Bedrohung seien derzeit sich ausbreitende Resistenzen gegen Artemisinin. Der Wirkstoff bildet den mit Abstand wichtigsten Bestandteil moderner Malaria-Medikamente.

Ein Zusammenspiel sozioökonomischer, gesundheitspolitischer und biologischer Faktoren begünstigt die dramatische Entwicklung: Mangelnde Infrastruktur, teils minderwertige Generika und falsche Verschreibungspraktiken sorgen dafür, dass die Parasiten die Behandlung überleben. Die Medikamente verlieren durch Mutationen an Wirkungskraft.

Gleichzeitig verstärkt die Klimakrise durch starke Regenfälle Mückenplagen in Regionen wie Madagaskar. Bürgerkriege im Sudan oder Jemen untergraben die Gesundheitsversorgung und treiben Millionen Menschen in die Flucht. Sie sind meist schutzlos den Stichen der Anopheles-Mücke ausgeliefert.

Neue Medikamente und Impfstoffe

Doch es gibt auch Lichtblicke. Mit Ganaplacid-Lumefantrin (KLU156) entwickelte der Pharmakonzern Novartis gemeinsam mit der öffentlich-privaten Partnerschaft Medicines for Malaria Venture (MMV) ein neues Medikament, das eine Wende bringen könnte. Es ist der erste Wirkstoff seit 25 Jahren, der nicht auf Artemisinin basiert. Klinische Tests zeigen: Es wirkt nicht nur so gut wie der aktuelle Standard, sondern hat auch »das Potenzial, arzneimittelresistente Parasiten abzutöten und zudem die weitere Übertragung zu verhindern«, erklärte Martin Fitchett, Geschäftsführer von MMV. Bis zur Auslieferung steht jedoch noch die Zulassung an. Man rechne damit in den nächsten 18 Monaten, erklärte ein Novartis-Sprecher auf nd-Anfrage. Die meisten Medikamente sollen dann zum Selbstkostenpreis erhältlich sein.

Positiv wirkt auch, dass nach aktuellem Stand 24 Länder Malaria-Impfstoffe (RTS,S und R21) in ihre Präventionsprogramme aufnahmen. Laut WHO senken diese die Kindersterblichkeit um 13 Prozent. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 2,1 Millionen Kinder geimpft. Derzeit entwickeln Forscher*innen neue Impfstoffe, die noch effektiver und leichter zu verabreichen sind.

Fatale Kürzung von Hilfsgeldern

Allerdings ziehen sich ausgerechnet jetzt die wichtigsten Geldgeber zurück. Die USA, Großbritannien und auch Deutschland kürzten ihre Mittel für die globale Gesundheitshilfe teils drastisch. Im Jahr 2024 standen weltweit nur 3,9 Milliarden US-Dollar zur Verfügung – weniger als die Hälfte der benötigten 9,3 Milliarden.

Für den Finanzierungszeitraum 2026 bis 2028 will Deutschland nur noch eine Milliarde Euro für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GFATM) zur Verfügung stellen. Im vorherigen Zeitraum waren es noch 1,3 Milliarden Euro, wie eine Berechnung des Berliner Thinktanks Centre for Planetary Health Policy zeigt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) betont auf nd-Anfrage, dass die deutsche Entwicklungspolitik trotz »schmerzhafter Einsparungen« verlässlich bleibt. Das Ministerium verweist darauf, dass die Bundesrepublik weiterhin einer der größten Geber für den GFATM und die internationale Impfallianz Gavi bleibt.

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Die Konsequenzen der Kürzungen sind fatal: Personal wird abgebaut und Überwachungssysteme werden bereits jetzt heruntergefahren, erklärte Arnaud Le Menach, leitender Autor des WHO-Berichts auf nd-Nachfrage. Ein gefährlicher Blindflug, den drohende Engpässe bei Medikamenten und Tests in den Kliniken noch verschärfen. »Bei sinkenden Finanzmitteln steigt das Risiko, dass Malaria wieder aufflammt«, sagte Le Menach.

Regierungen sind darum aufgefordert, nationale Finanzierungen aufzustocken. »Es ist Zeit, dass die Länder ihre Maßnahmen zur Malariabekämpfung vorantreiben, indem sie politischen Willen in Ressourcen und Maßnahmen umsetzen«, forderte WHO-Malariaexperte Ngamije. Angesichts der öffentlichen Schuldenkrise in vielen ärmeren Ländern sind die Spielräume dafür aber extrem gering.

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