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Wie man bei Eigenbedarfskündigungen seine Wohnung behält
Der Berliner Mieterverein stellt die besten Taktiken gegen Eigenbedarfskündigungen vor
Wer in dieser schönen Stadt wohnen möchte, bezahlt dafür teuer. Nicht nur mit der Monatsmiete. Ständig stressen Vermieter*innen und Eigentümer*innen. Im schlimmsten Fall droht dabei der Verlust der Wohnung. Wer eine Kündigung im Briefkasten findet, fühlt sich schnell verzweifelt oder hilflos, wie Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), sagt. Zur Beantwortung der Frage, wie man stattdessen auf die immer populärere Eigenbedarfskündigung reagieren sollte, hat der Verein Fälle aus den vergangenen sieben Jahren ausgewertet und unter dem optimistischen Titel »Verteidigung zahlt sich aus« zusammengefasst.
Mit 501 Fällen zwischen 2018 und 2024 handele es sich natürlich nicht um eine repräsentative Studie, stellt Bartels auf einer Pressekonferenz anlässlich der Veröffentlichung des Berichts klar. Seit 2020 zählte der BMV jährlich rund 2000 Beratungen zum Thema Eigenbedarf. Hinter der Miethöhe, Mängeln der Wohnung, Heiz- und Betriebskosten und der Untermiete rangieren Kündigungen auf dem fünften Platz der häufigsten Themen in den Beratungen. Dabei erfolgte die Hälfte der Kündigungen unter Verweis auf einen Eigenbedarf der Eigentümer*innen. »Bundesweit ist der Anteil, den Berlin einnimmt, recht stolz«, sagt Bartels. Ein Viertel der gesamtdeutschen Räumungsklagen wegen Eigenbedarfs fällt auf die Hauptstadt.
Der Ablauf ist dabei oft dramatisch: Jede vierte Eigenbedarfskündigung endet laut BMV mit einer Räumungsklage. Häufig ist das Mietverhältnis zuvor bereits belastet. »Es ist ganz deutlich, dass die Miethöhe ein Punkt ist, der statistisch auffällig ist«, so Bartels. Das sei kein Beweis dafür, dass eine Vortäuschung vorliege, dem BMV seien allerdings Fälle bekannt, in denen beim Streit um eine Mieterhöhung auf eine Einigung unter Verweis auf einen möglichen Eigenbedarfsanspruch gedrängt wurde. So oder so, gegen Kündigung und Räumungsklage wehrt man sich am besten juristisch, wie die Studie zeigt.
»Dieser Titel der Studie soll kämpferisch sein«, sagt Bartels. »Wir ermuntern die Mieterschaft, da wirklich zu kämpfen, wenn es um die eigene Existenz geht.« Vor Gericht gewann in einem Viertel der Fälle der*die Mieter*in. In nur halb so vielen Fällen entschied das Gericht im Sinne des*der Vermieter*in. Den größten Anteil machen jedoch Vergleiche aus, in denen beide Parteien sich einigten. Das titelgebende Auszahlen beziehe sich aber nicht nur auf das Geld, das man durch einen solchen Vergleich gewinnen könne, sondern auch auf das »Auszahlen im Sinne, dass ich vielleicht die Wohnung halten kann«, so Bartels.
Dass es nicht immer so weit kommt, liegt auch daran, dass Mieter*innen häufig auf das Angebot von Ausgleichszahlungen und Ersatzwohnungen eingehen. Rechtliche Ansprüche haben sie bei einer solchen Einigung danach keine. Zu den Ausgleichszahlungen sagt Sebastian Bartels: »Das klingt oft erst mal nach einer horrenden Summe, aber man muss berücksichtigen, was für Folgekosten hinzukommen.« Der Umzug in eine Wohnung mit viel teurerer Miete kann nicht durch eine Einmalzahlung relativiert werden.
»Wir ermuntern die Mieterschaft, da wirklich zu kämpfen, wenn es um die eigene Existenz geht.«
Sebastian Bartels
Geschäftsführer des Berliner Mietervereins
In einem Fall, den der BMV begleitete, meldete ein in der Schweiz lebender Musiker Eigenbedarf für eine Wohnung in Friedenau an. Da in dem Schreiben keine Bedarfsperson angegeben war, wies das Gericht die Kündigung ab. Als die nächste, diesmal formal richtige Kündigung folgte, einigte man sich auf eine Auszugsentschädigung von 1000 Euro. »Das ist nicht von uns ausgehandelt worden«, stellt Bartels klar. Nachdem die Mieterin auch ihre Folgewohnung verloren hatte, zog sie zurück nach Friedenau. »So weit, so schlecht«, so Bartels.
Zurück in Friedenau stellte die Betroffene jedoch fest, dass ihre alte Wohnung mittlerweile über Airbnb vermietet wurde und ihr Vermieter dort ein sogenannter Premiumhost war. Mit den Aussagen von Nachbar*innen reichte sie trotz der früheren Einigung eine Klage auf Schadensersatz ein. In dem Gerichtsverfahren, das für Anfang 2026 angesetzt ist, könnte sie sogar die Zahlung der Erlöse aus der Airbnb-Vermietung erwirken. Da kein neues dauerhaftes Mietverhältnis besteht, sei auch »eine Klage auf Wiedereinräumung des Besitzes der Wohnung nicht abwegig«, so Bartels.
Bei mindestens jeder zehnten Beratung der BMV bestünde ein konkreter Verdacht auf vorgeschobenen Eigenbedarf. Besonders Vermieter*innen, die mehrere Wohnungen in einem sogenannten Paket und mit der Absicht, den Immobilienbesitz zu mehren, erwerben, seien verdächtig. Mitunter sei es vorgekommen, dass mehreren Mieter*innen desselben Gebäudes zeitgleich wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde. Eigentlich handelt es sich hierbei um versuchten Prozessbetrug, hierzu wäre ein Musterurteil wichtig, meint Bartels.
Mieter*innen rät der BMV, streng auf die Formalitäten, wie auf die Kündigungsfrist oder die Angabe einer Bedarfsperson, zu achten. Diese sollten nicht dem*der Vermieter*in mitgeteilt werden, da diese*r sonst einfach nachjustieren könnte. Die mietrechtliche Beratung stünde in jedem Fall an erster Stelle, wie auch eine genaue Dokumentation. Besonders die Suche nach der neuen Wohnung sollte genau aufgezeichnet werden.
Wichtig kann dies für den Härteeinwand werden. Liegen besondere Umstände wie Krankheit, Verwurzelung oder eine schwierige Wohnungssuche vor, kann eine Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangt werden. Der Umzug in eine deutlich teurere Wohnung sei dann nicht zumutbar. »Man muss sich nicht strecken und sein Vermögen veräußern, nur damit man dann teurere Mieten bezahlen kann«, sagt Bartels. Zwei Kammern haben bereits den angespannten Berliner Wohnungsmarkt als generellen Härtegrund akzeptiert.
Auch politisch fordert der BMV eine Schärfung der Härtegründe, etwa für alte Menschen. Gerade in Berlin sei eine Anhebung der Räumungsfrist von einem auf zwei Jahre ebenso nötig wie ein Räumungsschutz bei fehlendem Ersatzwohnraum. Mieter*innen sollten bereits im Mietvertrag über den Status Eigentumswohnung informiert werden. Zudem empfiehlt der BMV dringend die Einengung des Personenkreises, der einen Eigenbedarf erklären kann. Bisher gilt das nämlich auch für die Unterbringung des Au-pair oder der eigenen Anwaltskanzlei.
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