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Linnemanns Gegenwarts-Ich
Wolfgang Hübner über die Haltbarkeit von Wahlkampfparolen
Carsten Linnemann ist CDU-Generalsekretär und gehört damit zum inneren Machtzirkel der Regierungspartei. Mit 48 Jahren ist er beinahe noch politischer Nachwuchs und doch schon einer der Kandidaten für die CDU-Führung nach dem heute 70-jährigen Friedrich Merz. Leute wie Linnemann zeichnen sich durch eine Mischung aus sozialer Kaltschnäuzigkeit und politischer Geschmeidigkeit aus. Vor der Bundestagswahl im Februar dieses Jahres hatte er behauptet, mit einer Reform – also letztlich mit einer Kürzung – des Bürgergelds könne man 15 Milliarden Euro einsparen. Andere Unionspolitiker versprachen sogar bis zu 30 Milliarden, die man aus dem Bürgergeld herauspressen könnte.
Das ist faktisch längst widerlegt; die tatsächlich möglichen Einsparungen auf Kosten von Arbeitslosen sind minimal. Unter anderem, weil die Zahl der sogenannten Arbeitsverweigerer viel zu hoch angesetzt wurde. Linnemann, im Deutschlandfunk auf die damaligen Aussagen seines »Vergangenheits-Ichs« angesprochen, konterte, er habe auch ein Gegenwarts-Ich – das will jetzt von den versprochenen 15 Milliarden nicht mehr viel wissen. Mit dieser, nun ja, Wandlungsfähigkeit steht er in der Tradition von Franz Müntefering, der es »unfair« fand, Politiker an ihren Wahlverprechen zu messen. Was wiederum nur ein Abklatsch von Konrad Adenauer war, den der Überlieferung zufolge sein Geschwätz von gestern nicht kümmerte. Die aalglatten Merz-Groupies wie Linnemann, Spahn und Amthor, die sich schon für die Zeit danach warmlaufen, haben leider auch noch ein Zukunfts-Ich. Und davor kann man wirklich Angst bekommen.
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