Weiche steht auf Expansion

Der Bahnchef benötigt Privatkapital für seine Konzern-Strategie

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Deutsche Bahn (DB) will weltweit expandieren. Privatisierungsbefürworter nutzen dies als Sachzwangargument für den Börsengang.

Während Union und SPD das Thema Bahn-Börsengang aus den Landtagswahlkämpfen heraushalten wollen, prüfen Sachbearbeiter in Politik und Bahnmanagement die Umsetzung des »Steinbrück-Modells«. Danach soll unterhalb der Konzernspitze der bundeseigenen Deutschen Bahn AG eine Holding für die Betriebs- und Transportgesellschaften geschaffen werden, die zu 49,9 Prozent an privates Kapital veräußert werden könnte. Netz, Bahnhöfe und Energieversorgung hingegen würden zu 100 Prozent in Bundesbesitz verbleiben. Diese stufenweise Privatisierung könnte ohne Parlamentsbeschluss allein vom Aufsichtsrat der DB verabschiedet werden.

In seiner Neujahrsbotschaft an die DB-Beschäftigten zeigte sich Bahnchef Hartmut Mehdorn optimistisch, dass »die Teilprivatisierung im Jahr 2008 kommt«. Es sei »jenseits aller bisweilen populistischen Diskussionen unbestritten«, dass die Deutsche Bahn AG für die Fortsetzung ihrer »erfolgreichen Strategie frisches Kapital braucht«. Die DB wolle zum weltweit führenden Mobilitäts- und Logistikunternehmen werden, so Mehdorn.

Derweil führen Privatisierungsbefürworter zunehmend ein einziges Argument an: Die Deutsche Bahn könne nur überleben, wenn sie als Global Player mit zusätzlichem Kapital Bahn- und Logistikunternehmen weltweit aufkauft. Die Expansion geht so rasant vonstatten, dass kaum jemand noch den Überblick hat. Dorothée Menzner, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, beklagte vor Gewerkschaftern in Frankfurt (Main) die mangelnde Transparenz in der DB-Zentrale. Dort habe man ihr keine Auskunft über die Zahl der Tochterunternehmen geben können, »weil es immer mehr werden«.

Wie schon bei der Zerschlagung der staatlichen Post-, Telekom- oder Energieunternehmen zeichnet sich auch im Bahnbereich ein europaweiter Kampf der Giganten ab, bei dem wenige private Monopole übrig bleiben werden. Speziell zwischen der DB und der französischen Staatsbahn SNCF wird der Ton rauer. 2007 kaufte die DB neben der spanischen Güterbahn Transfesa auch die mit 30 000 Güterwaggons größte britische Güterbahn, EWS, auf. Damit fasst die DB durch die »Hintertür« des Kanaltunnels in Frankreich Fuß und kann der SNCF auf ihrem eigenen Terrain Marktanteile abjagen. Menzner kritisiert dies als »marktkapitalistischen Flankenangriff« Mehdorns. Ab Ende März sollen unter EWS-Regie wöchentlich 14 Güterzugpaare zwischen England und dem europäischen Festland rollen, drei auf der Route Brüssel-Daventry, sechs auf der Strecke Manchester-Duisburg und fünf zwischen Manchester und Mailand.

Die SNCF, deren konservative Chefin Idrac die Kampfansage registriert hat, baut ihrerseits auf deutschem Boden eifrig die Stützpunkte im staatlich subventionierten Personennahverkehr aus. Das Tochterunternehmen Keolis hat Ausschreibungen in Nordrhein-Westfalen gewonnen, wodurch sie wichtige Strecken an Rhein und Ruhr übernehmen wird. Ab Dezember 2009 wird ihr Netz vom niederländischen Venlo über Mönchengladbach bis ins niedersächsische Hildesheim reichen.

In ihrem Werben für die Privatisierung setzen deutsche Politiker auf »Sachzwänge«. So gab SPD-Chef Kurt Beck beim Hamburger Parteitag zu bedenken: »Wenn es an Kapital fehlt, wenn an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland Schluss ist oder fünf Mal umgespannt werden muss und dadurch jede Wirtschaftlichkeit des Schienentransports verloren geht, dann landen die Transporte zwangsläufig wieder auf der Straße.« Solche Äußerungen verkennen, dass Ingenieure und Techniker seit Jahrzehnten mit Erfolg für den Güter- und Personenverkehr auslandsfähige Mehrstromloks sowie Güterwaggons konzipieren und aufs Gleis setzen. Den grenzüberschreitenden Verkehr in Europa ohne großen Zwischenhalt haben die europäischen Staatsbahnen in fruchtbarer Zusammenarbeit auch ohne privates Kapital längst ausgebaut. Zunehmender Verdrängungswettbewerb hingegen dürfte die weitere Kooperation eher behindern.

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