Pfeffer für Pferde
Reitsport steht vor Ablösung des Radsports in der Dopingrangliste
Als die dopingverseuchte Disziplin schlechthin galt bislang der Radsport. Als Bestätigung der These war zu Beginn der Olympischen Spiele die spanische Zeitfahrspezialistin Maria Isabel Moreno mit dem Blutverdicker EPO erwischt worden. Doch zum olympischen Finale läuft der Sport der Herrenreiter der Proletenbeschäftigung Radfahren den Rang als Dopingsportart Nummer eins ab.
Bei vier Pferden, darunter dem in Norddeutschland gezüchteten Schimmel Cöster des deutschen Springreiters Christian Ahlmann, der am Donnerstag in der olympischen Einzelentscheidung starten sollte, wurden Spuren des Alkaloids Capsacain gefunden. Capsacain kommt gewöhnlich an der Innenwand von Chili-Schoten vor. Bei Pferden sorgt es für eine »Sensibilisierung«, wie es in einem Statement des Reiterverbandes FEI hieß. Vulgär ausgedrückt macht es die Klepper scharf.
Der vierfache Chili-Schotenfund im Lager der Springreiter wird noch vom Wettkampf selbst getoppt. Olympiasieger Eric Lamaze war wegen Dopings bereits zwei Mal von allen pferdesportlichen Aktivitäten auf Lebenszeit ausgeschlossen. 1996, kurz vor den Spielen von Atlanta, wurde ihm Kokain nachgewiesen. Von pfiffigen Anwälten beraten war es ihm gelungen, die Prise Kokain als Privatangelegenheit hinzustellen und die ursprüngliche Sperre von vier Jahren auf sieben Monate reduzieren zu lassen.
Wieder in den Wettkampfsport zurückgekehrt qualifizierte sich Lamaze für Olympia 2000 in Sydney – und wurde kurz vor Abflug mit dem Stimulanzmittel Ephedrin erwischt. Eine erste lebenslange Sperre folgte. Lamazes Anwalt erklärte, dass Ephedrin in der Packungsbeilage der Salbe Equiblock nicht deklariert gewesen sei. Lamaze wurde freigesprochen. Kanadas Verband – immerhin hat auch die Weltantidopingagentur WADA ihren Hauptsitz im Ahornblattland – war allerdings misstrauisch und unterzog Lamaze einem neuerlichen Test.
Jetzt befand sich wieder Kokain im Blut. Die zweite lebenslange Sperre ereilte den Reiter. Sein Anwalt meinte, die zu Unrecht ausgesprochene Sperre wegen Ephedrins sei mitverantwortlich am Kokainkonsum seines Mandanten gewesen. Außerdem hätte er sich zum Zeitpunkt des Tests außerhalb der Sportgerichtsbarkeit befunden und überhaupt eine schwere Kindheit gehabt. Lamazes Mutter sei eine kokainabhängige Dealerin gewesen. Es klappte. Auch das zweite »lebenslänglich« wurde kassiert. Sydney musste Lamaze auslassen, Athen ebenso. In Hongkong war er aber erfolgreich.
Lamazes Geschichte passt in den Reitsport wie die des Jan Ullrich in den Radsport. Vor Beginn der Olympischen Spiele waren die Reiter mit sogenannten »offiziellen Vorkontrollen« aufgefallen. Die Ergebnisse waren nur intern bekannt gegeben worden. In anderen Sportarten sind Vorkontrollen Bestandteil eines Heran-Dopens an die Grenzwerte. Vor vier Jahren hatten die deutschen Springreiter Mannschaftsgold verloren, weil Ludger Beerbaums Pferd Goldfever mit einer nicht genehmigten Salbe mit dem verbotenen Wirkstoff Betamethason behandelt worden war. Vom nationalen Verband war Beerbaum aber nur mit einer einmonatigen Sperre belegt worden – und er konnte zudem bestimmen, zu welchen Zeitpunkt des Jahres er sie anzutreten gedachte.
Nach soviel Lässlichkeit ist die Zeit reif für hartes Durchgreifen. Zumindest symbolisch. Christian Ahlmann ist umgehend aus dem Olympiateam suspendiert und nach Hause geschickt worden. DOSB-Chef Michael Vesper drohte Ahlmann, seine Reisespesen selbst übernehmen zu müssen. Ahlmann, Sohn des Reiter-Unikums Georg Ahlmann, der für Wettrennen mit der Polizei bekannt ist und zusammen mit Alwin Schockemöhle (Olympiasieger 1960 und 1976) und dessen Schwiegervater den Rennstall »Rex ASS« gegründet hat, ist bereits in Deutschland eingetroffen. Der Wallach Cöster soll am Sonntag folgen. Dann hoffentlich ohne Pfeffer im Arsch.
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