Nationalparks im Schlussverkauf

Brasilien will attraktive Natur privat für den Tourismus vermarkten lassen

  • Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 2 Min.
Brasiliens Nationalparks werden privatisiert. Wie Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und Umweltminister Carlos Minc nun beschlossen haben, sollen Firmen Vermarktung und Tourismusmanagement der insgesamt 64 Schutzgebiete übernehmen.

In Brasilien war bisher seit 1997 lediglich das Tourismusgeschäft des durch die weltgrößten Wasserfälle bekannten Nationalparks von Iguaçu in privater Hand. Doch noch in diesem Jahr werden die ersten Konzessionen für drei weitere Schutzgebiete, Rio de Janeiros Nationalpark Tijuca und die Meeresnationalparks Fernando de Noronha in Pernambuco sowie Abrolhos in Bahia, vergeben. Bis 2010, so der Regierungsplan, soll der Service von insgesamt zehn Nationalparks privatisiert sein.

Die mit der Privatisierung eingesparten Finanzmittel, so Umweltminister Carlos Minc, sollen zur Verbesserung der Infrastruktur der Nationalparks verwandt und damit die Besucherzahlen bis 2010 verdoppelt werden. Heute besuchen pro Jahr lediglich 3,5 Millionen Naturtouristen Brasiliens 64 Nationalparks. Dies sei nach Meinung des Umweltministers extrem wenig. Die USA zählen pro Jahr 293 Millionen Besucher. Allein der Yellowstone-Nationalpark habe so viele Besucher wie alle brasilianischen Parks zusammengenommen.

Um den USA nachzueifern, brachte Präsident Lula parallel zu den Privatisierungsplänen ein Investitionspaket von rund 10 Millionen Euro für die ersten sechs von 25 touristisch besonders attraktiven Schutzgebieten auf den Weg. Die Gelder fließen hauptsächlich in die touristische Infrastruktur wie den Aufbau oder die Verbesserung von Besucherzentren und markierten Wanderwegen. Weitere rund 20 Millionen Euro werden in den Bau von touristischen Straßen am Rand der Schutzgebiete investiert. Beschlossene Sache ist beispielsweise die umstrittene Asphaltierung der Straße von Parati quer durch den Atlantischen Regenwald-Nationalpark Serra da Bocaina nach Cunha im Süden Rio de Janeiros.

Während sich Lula und Minc offensichtlich besonders um die Vermarktung der attraktiven Nationalparks sorgen, versucht das brasilianische Netzwerk der Naturschutzgebiete (»Rede Nacional Pró Unidades de Conservação«) gerade, den (noch) 200 000 Hektar großen Nationalpark Serra da Canastra vor dem Schlimmsten zu bewahren. Das Schutzgebiet, in dem die Quellen des Rio São Francisco liegen, ist eine einmalige, extrem artenreiche Arche Noah mit Cerradowäldern, Naturgrasflächen, Regenwaldinseln und Galleriewäldern. Hier gibt es noch Riesenameisenbären und den von der Ausrottung bedrohten Mähnenwolf, der große unzerstückelte Flächen zum Überleben braucht. »Der Nationalpark ist eines der wichtigsten Schutzgebiete für die Erhaltung des Cerrado«, so das Naturschutznetzwerk. Dennoch mache derzeit eine Lobby aus Agroenergieinvestoren und Bergbauunternehmen Druck auf die Regierung. Der Park solle drastisch um 48 000 Hektar verkleinert und der Weg für Zuckerrohrmonokulturen und neue Diamantenminen frei gemacht werden.

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