Migration als dritte Marktkraft

Entwicklungsbericht der Weltbank fordert räumliche Mobilität

  • Kai Walter
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Ort, an dem ein Mensch lebt, ist wesentlich dafür verantwortlich, ob er wirtschaftlich gesehen Gewinner oder Verlierer ist. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Der Weltentwicklungsbericht 2009 der Weltbank analysiert jedoch anschaulich räumliche Aspekte der Weltwirtschaft. Experten lobten bei der Vorstellung des Berichts am Dienstag in Berlin zwar die »beeindruckende« Darstellung, stellten aber auch kritische Fragen.

Unter Leitung von Indermit Gill haben die Autoren des Weltentwicklungsberichts 2009 eine Beschreibung der wirtschaftlichen Situation auf unserer Erde vorgelegt und einen Ausblick gewagt. Leicht lesbar, aber nicht im Sinne von simpel, sei der Bericht mit dem Titel »Reshaping Economic Geography«, sagte Gill in Berlin.

Die Herausforderungen für Entwicklung werden auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene betrachtet. Die zunehmende räumliche Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten wird im Bericht als notwendige Bedingung für Entwicklung gesehen, trotz der daraus resultierenden geografischen Ungleichgewichte. Dazu bedürfe es der Verkürzung von Entfernungen zwischen Akteuren und Märkten sowie der Überwindung nationaler und internationaler Trennungen. Dem Bericht nach könnten intensive Eingriffe in die Wirtschaft zur gleichmäßigen geografischen Verteilung die Entwicklung hemmen. Statt Wirtschaft zu den Menschen zu bringen, solle weiter das Credo der Mobilität der Arbeitskräfte gelten. Neben der Agglomeration und der Spezialisierung sei Migration die dritte Marktkraft.

Um Wirtschaftswachstum und eine sozial verträgliche Entwicklung zu erreichen, schlägt der Bericht Regeln vor. Institutionen sollten ohne besondere Rücksicht auf räumliche Belange handeln und wirtschaftliche Konzentration zulassen. Mittels Infrastruktur könnten Wirtschaftsregionen miteinander verbunden werden, und durch räumlich orientierte Interventionen seien Trennungen überwindbar. Wie die Faustregel angewendet werden sollte, richte sich nach der Komplexität der Herausforderung. Bei Regionen mit großer Distanz zum Weltmarkt handele es sich beispielsweise um eine zweidimensionale Herausforderung. Institutionen sollten in diesen Regionen Konzentration zulassen und durch Infrastruktur für eine bessere Verbindung zum Weltmarkt sorgen.

Der Wirtschaftsgeograf Ludwig Schätzl kritisiert die im Bericht angelegte zeitliche Verzögerung der wirtschaftlichen Integration. Für schwach entwickelte Regionen und Länder sei Entwicklung so nur langfristig zu erreichen. Wir müssten uns die Frage stellen, ob es nötig sei, dass Hunderte Millionen Menschen in den am schwächsten entwickelten Regionen noch lange auf positive Entwicklung warten müssen.

»Entwicklung wird nicht immer schmerzfrei verlaufen«, sagte Indermit Gill. Aber auch ohne räumlichen Ausgleich beim Wirtschaftswachstum sei es möglich, Entwicklung so zu gestalten, dass alle Menschen eingeschlossen werden. Regierungen hätten ohnehin viel bessere Möglichkeiten für integrative Politik als zur Förderung von Wirtschaftsstandorten. So sollten Regierungen Infrastruktur fördern, um Distanzen zu verringern. Es sei Unsinn, Wirtschaft überall hinbringen zu wollen.

Der Weltentwicklungsbericht 2009 findet sich im Internet unter: www.worldbank.org/wdr2009.

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