Streiks und Appelle gegen Sarkozys »Reformpolitik«

Massive Beteiligung am Aktionstag am Donnerstag erwartet

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Nationale Aktionstag, zu dem die acht größten Gewerkschaften Frankreichs für Donnerstag aufgerufen haben, könnte zum machtvollsten Protest seit Amtsantritt von Präsident Nicolas Sarkozy werden.

Die angekündigten Streiks und Demonstrationen richten sich gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung und deren »Versuche, die Konsequenzen der Krise auf die arbeitenden Franzosen abzuwälzen, die an der Situation keinerlei Schuld tragen«, stellen die Gewerkschaften fest. Sie fordern Maßnahmen, die geeignet sind, Massenentlassungen abzuwenden, die Arbeitsplätze im Land zu sichern und deren Verlagerung ins Billiglohnausland zu verhindern. Außerdem verlangen sie umfassende Lohnerhöhungen, was die Kaufkraft der Franzosen verbessern und dadurch die Wirtschaft ankurbeln würde. Es sei nicht länger hinzunehmen, dass die Regierung Banken und Konzerne mit vielen Milliarden Euro aus Steuergeldern stützt, aber nichts für die arbeitenden Menschen, die ersten Opfer der Krise, tut.

Die Gewerkschaften fordern zudem ein Kontroll- und Mitspracherecht in den Aufsichtsräten über die von der Regierung bereitgestellten Milliarden, damit sie auch wirklich in den Wirtschaftsaufschwung investiert werden und nicht als Dividenden und Bonuszahlungen in die Taschen der Aktionäre und Konzernchefs wandern.

»Die Unzufriedenheit in den Betrieben wächst«, warnte der Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT, François Chérèque. Außerdem nehme in den Einwanderervierteln der Unmut über Diskriminierung und soziales Elend zu. Das sei ein »gefährliches Gebräu«, warnte der Gewerkschafsführer.

Am Donnerstag wird es Streiks in Schulen und an Universitäten, bei der Eisenbahn und den Nahverkehrsbetrieben von Paris und anderen Städten, bei der Post, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen, in Krankenhäusern und Gerichten, bei den Fluglotsen und anderen Angestellten der Flughäfen geben. Es beteiligen sich diesmal aber auch viele Beschäftigte im Privatsektor, wo man Massenentlassungen befürchtet, so bei zahlreichen Banken, in der Stahl- und metallverarbeitenden Industrie, ja selbst bei Euronext, dem Betreiber der Pariser Börse. Höhepunkt des Tages dürfte eine Massendemonstration in Paris werden, die am Bastille-Platz ihren Ausgang nimmt. Zu einer weiteren Demonstration in Paris, allerdings erst am kommenden Wochenende, haben die bisher 20 000 Unterzeichner eines Appells im Internet aufgerufen, in dem es heißt: »Wir Mitarbeiter des Gesundheitswesens, der Sozialdienste, des Bildungswesens, der Justiz, der Medien und der Kultur warnen die Behörden und die Öffentlichkeit vor den verheerenden sozialen Folgen der in letzter Zeit überstürzt eingeleiteten Reformen.« In diesen Bereichen wachse die Verbitterung über die Art, wie die Arbeit der dort Beschäftigten herabgewürdigt und negiert wird, wie ihre beruflichen Aufgaben und Missionen einzig nach ökonomischen Kriterien umgedeutet und den »Gesetzen des Marktes« unterworfen werden. »Dabei hat sich doch diese Ideologie gerade erst als katastrophal erwiesen«, heißt es in dem Appell. Die Unterzeichner wollen »verhindern, dass sich diese unheilvolle Entwicklung jetzt im Gesundheitswesen, den Sozialdiensten, dem Bildungswesen, der Justiz, den Medien und der Kultur fortsetzt und diese zugrunde richtet«.

Stellvertretend für viele hat die Journalistin Elisabeth Weissman in einer Stellungnahme in der Zeitung »Libération« erklärt, was sie bewog, diesen Appell zu unterzeichnen. »Ich habe zunächst als Bürgerin unterzeichnet, weil ich es unerträglich finde, wie sich Präsident Sarkozy alle Bereiche des Lebens in diesem Land unterwirft und ihnen seinen Kurs aufzwingt«, schrieb sie. »Ich leide aber auch darunter, dass ich meinen Beruf nicht integer ausüben kann. Die meisten Medien, die durch Freunde von Sarkozy und somit durch ihn beherrscht werden, sind zu unterwürfigen und eilfertigen ›Transmissionsriemen‹ der Staatsmacht verkommen. Sie geben nicht das Klima der Unzufriedenheit und des Widerspruchs wieder, das sich immer mehr im Lande ausbreitet.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal