• Kultur
  • Literaturbeilage Leipziger Buchmesse

Eine Allzweckwaffe

ANTIKOMMUNISMUS

  • Hans Canjé
  • Lesedauer: 3 Min.

Das schon in der Einleitung zu lesende Diktum des Autors dieser so aktuellen Publikation wird sicher nicht unwidersprochen bleiben: Der über die Jahrzehnte hinweg in der Bundesrepublik praktizierte Antikommunismus als immer noch virulente gesellschaftliche Allzweckwaffe dürfe »nur von einem anti-stalinistischen Standpunkt seriös und glaubwürdig kritisiert werden«. Dies vor allem darum, weil auch weiterhin vor allem jene Kritiker des Antikommunismus an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind, die im Gefolge der »justizförmigen« Kommunistenverfolgung in der Bundesrepublik 1951 bis 1968 von politischen Sondergerichten zu teilweise hohen Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt worden sind.

Die werden nämlich, so nachzulesen auf der Internetseite der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel, der zu jener Zeit zentralen niedersächsischen Haftanstalt für verurteilte Kommunisten, undifferenziert allesamt in die Schublade »Stalinisten« gesteckt. Ihre Verurteilung wird damit von Amts wegen auch heute noch, zwanzig Jahre nach Ende des Kalten Krieges, für rechtens erklärt. Gleich, ob diese Frauen und Männer wegen ihres antifaschistischen Engagements, ihres Widerstandes gegen die Wiederaufrüstung, die Ost- oder Deutschlandpolitik der damaligen Bundesregierungen in die Fänge der Justiz geraten waren. Das waren nach etwa 250 000 Ermittlungsverfahren immerhin an die 10 000 Bundesbürger.

Einer dieser angeblichen »Stalinisten« war der im vergangenen Jahr verstorbene Hildesheimer Journalist Walter Timpe. Dessen Geschichte hat Korte, Politikwissenschaftler, Vorstandsmitglied und Bundestagsabgeordneter der LINKEN, stellvertretend für die Verfolgten dieser Zeit an die Spitze seiner, im vielfältigen »Jubiläumsjahr« 2009 eine Lücken füllenden Publikation gestellt. Timpe war von Blutrichtern aus der NS-Zeit zu einem Jahr Gefängnis und drei Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Seine Strafe musste er, wie etwa hundert weitere Mitglieder der FDJ und der KPD, in der JVA Wolfenbüttel, der einstigen Hinrichtungsstätte für deutsche und ausländische Antifaschisten, verbüßen.

Korte spannt einen weiten Bogen – von der russischen Oktoberrevolution, »die dem deutschen Bürgertum schlaflose Nächte bereitete«, über den »fanatischen Antikommunismus« der Freikorps bis hin zum faschistischen Regime in Deutschland. Er untersucht die »wahnhafte Verschmelzung« von Antisemitismus und Antikommunismus, der »die ideologische Grundlage für einen entgrenzten Vernichtungskrieg, wie ihn die Welt noch nie erlebt hatte«, lieferte.

Umfassend widmet er sich dem Antikommunismus nach 1945, der beispiellosen Verfolgung der Kommunisten in der Bundesrepublik, vor allem nach dem KPD-Verbot vom 17. August 1957. Dieser übernommene Antikommunismus mit dem alten Hauptfeind Sowjetunion und natürlich der DDR bewirkte – laut Autor begünstigt auch durch eine fehlerhafte Politik der KPD – »eine geistige Enge, die sich bis in die SPD und die Gewerkschaften auswirkte«. Sie wurde begleitet von Gesetzen, durch die die Eliten des Faschismus wieder in den Dienst gestellt wurden – einschließlich der Sonderrichter Hitlers, die wieder Kommunisten verurteilten.

Abschließend fordert Korte, den »Antikommunismus als Ideologie zu delegitimieren« Der hier nachzulesende Rückblick auf die Bundestagsdebatten über die bislang vergeblichen Bemühungen der Linksfraktion zur Rehabilitierung der Opfer der Kommunistenverfolgung, lässt Zweifel aufkommen, ob dies glückt.

Jan Korte: Instrument Antikommunismus. Sonderfall Bundesrepublik. Karl Dietz Verlag. 120 S., br., 9,90 EUR.

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