Mehr Kosten als Nutzen?

Christoph Then über den »Schadensbericht Gentechnik« / Dr. Christoph Then vom Biotechnologie-Beratungsnetzwerk »Scouting Biotech« ist Koautor des Berichts

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Ihr Auftraggeber, nennt das vorgelegte Papier »Schadensbericht Gentechnik«. Wo liegt denn da der Schaden?
Then: Wir haben nur die ökonomischen Auswirkungen untersucht und nicht so sehr die ökologischen, insofern ging es um ökonomische Schäden, die durch die Agro-Gentechnik in den letzten Jahren entstanden sind. Das fängt mit einigen spektakulären Fällen der Verunreinigung von Produkten mit gentechnisch veränderten Organismen an, die gar nicht zugelassen waren. So etwa durch die gentechnisch veränderte Reissorte LL601, aber auch bei Mais und Rapssaatgut ist das passiert. Insbesondere beim Reis erreichte der Schaden für Bauern und Lebensmittelindustrie weltweit Milliardenhöhe.

Aber das sind doch Einzelfälle.
Schon, aber auch im Normalbetrieb entstehen laufend versteckte Kosten durch den Einsatz der Gentechnik: Die Trennung traditioneller Sorten von Gentech-Pflanzen bei der Vermarktung und Verarbeitung, die Qualitätssicherung – all das kostet. Und zwar auch hier in Deutschland, wo relativ wenig Gentech-Pflanzen angebaut werden. Da muss die Lebensmittelwirtschaft die Kosten tragen. Die steht zwischen den Kunden, dem Handel und der Landwirtschaft und hat das Problem, dass Produkte auf den Markt gekommen sind, die die Verbraucher nicht haben wollen. Will man diese Produkte aus dem Warenverkehr raushalten, entstehen erhebliche Kosten. Die liegen für mittelständische Unternehmen in der Größenordnung von einigen Tausend bis einigen Hunderttausend Euro im Jahr. Diesen Schaden zahlen letztlich die Kunden. Insgesamt geht es um wenigstens hunderte Millionen pro Jahr.

Wenn so hohe Kosten entstehen, wie kommt es dann, dass zwei der größten Agrarexporteure, die USA und Kanada, so massiv auf diese Technik setzen?
Der Nutzen, wenn es denn überhaupt einen gibt, liegt auch in den USA im wesentlichen bei den Agro-Industriekonzernen, die das Saatgut verkaufen. Der Hauptanbieter von diesem Saatgut ist eine US-Firma. Zum zweiten gibt es Rationalisierungseffekte beim Soja-Anbau, die für Landwirte wirtschaftlich interessant sind. Sie können freier entscheiden, wann sie spritzen, und sparen dadurch Arbeitszeit ein. Bei Mais ist ein solcher Effekt allerdings nur in Jahren mit hohem Schädlingsbefall da. Die Lebensmittelindustrie hat zwar auch in den USA keinen Nutzen davon, musste aber bisher, weil Gentechnik kein großes Thema bei den Verbrauchern war, auch nichts für Sortentrennung und Kennzeichnung ausgeben.

Könnte sich mit der Klimaerwärmung und vermehrten Dürren nicht die Akzeptanz für Gentechnik verbessern?
Da habe ich Zweifel. Schon der Versuch, gentechnisch veränderten Weizen einzuführen, stieß auch bei den Konsumenten in den USA auf Ablehnung. Und außerdem braucht man dafür gar keine Gentechnik. Es gibt derzeit einen solchen Schub in der konventionellen Züchtung. Dank modernerer Verfahren und pflanzengenetischer Erkenntnisse kann man gezielter kreuzen und selektieren. Da kann die Gentechnik im Moment nicht mithalten. Selbst der Branchenriese Monsanto hat Sojabohnensorten auf den Markt gebracht, wo der eigentliche Mehrertrag durch konventionelle Züchtung erreicht wurde. Die gentechnische Herbizid-Resistenz (gegen ein Unkrautvernichtungsmittel – d. Red.) wurde nur draufgepfropft. Es ist nicht erkennbar, wieso gerade die Gentechnik besonders geeignet sein soll, die Pflanzen an das veränderte Klima anzupassen. Da hat man viel versprochen, aber nie eingelöst.

Fragen: Steffen Schmidt

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