Nazi-Offensive im World Wide Web
Untersuchung zeigt gesteigerte Aktivität der rechtsextremen Szene im Internet / Verdoppelung der unzulässigen Inhalte im Jahr 2008
Nicht nur auf der Straße bemühen sich Nazis, vom Klischeebild des Bomberjacke und Stiefel tragenden Glatzkopfs wegzukommen. Auch im Internet verpacken die Rechten ihre Propaganda in zeitgemäßen und mitunter auffällig unauffälligen Web-Outfits. So wie die »Autonomen Nationalisten«, die zunehmend das Erscheinungsbild von Naziaufmärsche prägen, das Äußere linksradikaler Autonomer kopieren, bedienen sich die Internet-Nazis der Möglichkeiten des interaktiven Web 2.0 und gestalten ihre Seiten besonders attraktiv für Jugendliche.
Eine »Erlebniswelt«, die Jugendlichen Aktivismus verspricht, Filme als zentrale Träger der rechten Botschaften nutzt, Identifikationsfiguren anbietet und sich direkt und niedrigschwellig an die jugendlichen Internetnutzer wendet – so beschreibt Stefan Glaser, Leiter des Arbeitsbereichs Rechtsextremismus von jugendschutz.net, die neueren rechten Umtriebe im Netz. Am Freitag stellte die für Jugendschutz im World Wide Web zuständige Zentralstelle in Berlin die Ergebnisse ihres Internetmonitorings 2008 vor.
Demnach hat sich die Zahl unzulässiger Beiträge in sozialen Netzwerken und Videoplattformen wie Schüler/StudiVZ, Facebook, MySpace oder Youtube im Jahr 2008 auf 1500 verdoppelt. Mit 1707 recherchierten Nazi-Internetseiten sind die Rechten im Netz so präsent wie nie zuvor. Die rechte Propaganda werde »intensiver, aggressiver, professioneller«, erklärte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, ein Kooperationspartner von jugendschutz.net. »Und diese Entwicklung wird sich zuspitzen.«
Besonders aktiv und bemüht, junge Internetnutzer anzusprechen, sind dabei »Freie Kameradschaften« und »Autonome Nationalisten«. Diese benutzen bevorzugt Symbole und Aktionsformen verschiedener originär nicht rechter und speziell linker Jugendkulturen, so dass die Internetauftritte auf den ersten Blick für Szeneunkundige oftmals nicht als Nazi-Propaganda zu erkennen sind. Erst bei genauerem Hinsehen und -hören offenbart sich der rechte Inhalt, denn die Angebote sind »immer mit Nazi-Botschaften verbunden«, so Stefan Glaser. Dabei sei es typisch, dass Zukunftsängste der Jugendlichen aufgegriffen werden.
Parallel zur Unterwanderung und Nutzung der unpolitischen sozialen Netzwerke schaffen sich die Nazis eigene, explizit an Gleichgesinnte gerichtete Plattformen und Communities. Im Internet findet sich mittlerweile praktisch alles, was das Nazi-Herz begehrt: Versandhandel, Internetradios, Partnerbörsen, Infoportale ...
Jugendschutz.net begnügt sich nicht damit, rechte Propaganda im Netz ausfindig zu machen und zu registrieren. Ein wichtiges Ziel ist, die Löschung problematischer Inhalte zu erreichen. Dies gelang nach Angaben der Zentralstelle im vergangenen Jahr in 80 Prozent der Fälle. Als besonders effektiv habe sich dabei die direkte Kommunikation mit den Providern Internetanbietern erwiesen. Strafrechtlich relevante Inhalte werden zudem den Strafverfolgungsbehörden gemeldet.
Thomas Krüger nimmt aber auch die Internet-Community in die Pflicht und rief sie dazu auf, sich stärker und offensiver mit rechtsextremistischen Webinhalten auseinanderzusetzen. Gleichzeitig forderte er eine langfristige Finanzierung von jugend- schutz.net. Zur Schaffung einer Internetpolizei und Netzsperren äußerte sich Krüger indes zurückhaltend. Es könne nicht nur um Repression gehen, sondern es müsse auch Prävention stattfinden.
Internetuser, die beim Surfen auf mögliche rechtsextreme oder andere jugendgefährdende Inhalte stoßen, können diese auf der Homepage von jugendschutz.net melden. Dort steht auch die Broschüre »Klickt's? Geh Nazis nicht ins Netz!« zum Herunterladen zur Verfügung. Sie soll Jugendliche für Rechtsextremismus im Internet sensibilisieren und zeigt, wie man sich zur Wehr setzen kann.
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