»Schock« und »Schande« nach dem Absturz

Die russische Stabhochsprung-Überfliegerin Jelena Issinbajewa wird ohne Höhe Letzte

Sie wollte dem Himmel wieder ein Stück näher kommen und fiel dabei vom Himmel: Russlands Stabartistin Jelena Issinbajewa, zweifache Olympiasiegerin und zweifache Weltmeisterin. »Ich weiß auch nicht, was passiert ist. Ich kann es nicht glauben«, suchte die 27-jährige Welt-Leichtathletin von 2008 verzweifelt nach einer Antwort für ihren »Salto nullo« und sprach offen von »Schock« und »Schande«.

Die Stabhochsprung-Überfliegerin, die in ihrer Laufbahn 26 Weltrekorde aufgestellt hatte, darunter 14 im Freien (zuletzt mit 5,05 m bei ihrem Olympiasieg im August 2008 in Peking), war im WM-Endkampf schon im ersten Versuch an ihrer Einstiegshöhe von 4,75 m gescheitert. Sie hob sich daraufhin ihre beiden ausstehenden Versuche für 4,80 m auf – und riss beide Male. Aus der Traum von der Titelverteidigung! Dabei hatte sie sich zu Beginn des Wettkampfes »den Sieg schon ausgemalt«, wie sie erzählte. Nun höhenlos Letzte.

Hatte sie zu hoch gepokert, als sie sich mit 4,75 m an ihren ersten Sprung wagte? Zu diesem Zeitpunkt waren überhaupt nur noch fünf Springerinnen im Wettbewerb. »Zweite oder Dritte zu werden, das ist für mich keine Option gewesen«, sagte sie später und ergänzte: »Beim Warmmachen bin ich 4,70 gesprungen. Ich sah kein Problem in der Einstiegshöhe. Die schaffe ich im Training locker.«

Nur halt diesmal nicht. Vor ihrem letzten Versuch über 4,80 m hatte es einen heftigen Disput auf Distanz zwischen der völlig konsternierten Issinbajewa an der Sprunganlage und ihrem ratlosen Trainer Witali Petrow auf der Tribüne gegeben. Der Coach, der einst die Stabhochsprung-Legende Sergej Bubka zum Überflieger gemacht hatte, versuchte, mit Handzeichen aus dem Dilemma zu kommen. Würde Issinbajewa in ihrer desolaten Verfasstheit ihn in diesem Augenblick überhaupt verstehen? Auch ihr Mentor Bubka, der als IAAF-Vizepräsident auf der Ehrentribühne saß, war der Verzweiflung nahe. Keiner konnte Issinbajewa helfen – und so stürzte sie ab. Ohne einmal die Latte überquert zu haben. Das war ihr seit 2006 nicht mehr passiert. Über ihren gerissenen 4,75-m-Sprung sagte sie: »Ich hoch über der Latte, und dann reiße ich. Unfassbar für mich.«

Dafür feierten zwei Polinnen Gold und Silber: Anna Rogowska (4,75 m), Olympiazweite von Peking, und Monika Pyrek (4,65 m), Vizeweltmeisterin von 2007 in Osaka – jeweils hinter der Russin. Rogowska hatte im Juli 2009 Issinbajewa schon einmal geschlagen – beim Meeting in London.

Die Multimillionärin, die im Steuerparadies Monaco wohnt und sich zutraut, eines Tages sogar 5,20 oder 5,30 m zu überspringen, will bis zu den WM 2013 in Moskau weitermachen. Klar, denn bis dahin läuft ihr neuer Vertrag mit dem chinesischen Sportartikelhersteller Li Ning über eine Rekordsumme von 7,5 Millionen Dollar. »Diese Niederlage wird mich animieren, bei den Olympischen Spiele 2012 in London wieder großartig zu sein«, verspricht sie.

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