»Bill« zieht an Kuba vorbei

Hurrikan-Saison hat spät begonnen

  • Leo Burghardt, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.
Der mächtige Hurrikan »Bill« wird auf seinem Zug durch den Atlantischen Ozean keine Bedrohung für Kuba. Doch die Hurrikansaison hat damit erst begonnen.

Nur acht Mal seit 1899 hat die Hurrikan-Saison im tropischen Westatlantikbecken so spät begonnen wie in diesem Jahr. Nach zweieinhalb Monaten außergewöhnlicher Ruhe bildeten sich erst am vorvergangenen Wochenende vor der Westküste Afrikas drei dieser Niederdruckgebiete, die bei ihrer Überquerung des Atlantiks so viel Energie akkumulieren, dass sie hier in der karibischen Region als Tropengewitter, Wirbelstürme oder Hurrikans ankommen können. Oder bestenfalls auf der Strecke bleiben, wie jetzt zwei der drei Niederdruckgebiete.

In Kuba sei der globale Klimawechsel bereits zweifelsfrei nachzuweisen, stellten Experten im Juli während ihres internationalen Kongresses für Umwelt und Entwicklung in Havanna fest: Die Niederschläge zur Regenzeit von Mai bis Oktober hätten deutlich nachgelassen, der Meeresspiegel und die Temperaturen seien gestiegen und die Hurrikans gefährlicher geworden. Kuba trifft keine Schuld. Dafür hat schon der unermüdliche Mahner in Sachen Umweltschutz Fidel Castro gesorgt. Die zuständigen Fachorganisationen der Vereinten Nationen haben das vielfach gewürdigt. Und in der Hurrikan- und Klimawechselvorsorge für die gesamte Bevölkerung gehört Kuba ebenfalls zur Weltspitze. Trotzdem lassen sich Katastrophen nach Hurrikans nicht vermeiden, sondern nur kleiner halten, zumal die kubanische Regierung wegen finanzieller Probleme gezwungen ist, bei der Umsetzung ihrer Ideen in die Praxis kürzer zu treten als ihr lieb ist.

Als nach den drei Hurrikans von 2008, die einen Schaden von mehr als zehn Milliarden Dollar angerichtet haben, Bilanz gezogen wurde, bestätigte sich die Einschätzung, dass die Insel am verletzbarsten in der Landwirtschaft und der Bereitstellung von Wohnraum ist. Der zweite Posten umfasst den Wohnungsbau und die Reparaturen von Wohnstätten, die von den Hurrikans zerstört bzw. schwer beschädigt wurden. In der Landwirtschaft wird zum Beispiel erfolgreich mit der Einführung resistenter Bananensorten experimentiert. Gerade die Bananenplantagen, auf denen ein Hauptnahrungsmittel der Kubaner wächst, werden von den Wirbelstürmen regelmäßig völlig plattgemacht, so dass man oft ein Jahr bis zur nächsten Ernte warten muss, ehe auf dem Markt wieder Bananen zu haben sind.

Von 2001 bis 2008 wurde Kuba von neun Hurrikans großer Intensität heimgesucht. Sie zerstörten beziehungsweise beschädigten 1,2 Millionen Wohnstätten. Mit weiteren 200 000 stand das Bauministerium bei der Bevölkerung ohnehin in der Kreide. Jetzt hat das Zentrum zur Untersuchung von Baumaterial der Universität von Las Villas in Zusammenarbeit mit Partnern aus Kanada und der Schweiz auf Erfahrungen aus dem Jahr 1991 zurückgegriffen und regt an, Ziegel aus Öko-Material, Zuckerrohrrückständen, Zeolith und Kalk zu brennen. Das Endprodukt – der Ziegel CP-40 – ist nicht nur umweltfreundlicher und rentabler als die Herstellung herkömmlichen Baumaterials. Die mit ihm hochgezogenen ebenerdigen Häuschen haben auch die Hurrikans besser überstanden.

2009 also ohne Hurrikan? Vor diesem Fehlschuss wird eindringlich gewarnt. Für Kuba stehen die historisch gefährlichsten Monate September und Oktober noch bevor. Und die Saison klingt sowieso erst am 30. November aus.

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