Gewerkschafter fordern Bildungsreform

Ver.di-Tagung beleuchtete Defizite / Kritik am Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
»Zukunft der Bildung« – unter diesem Motto kamen mehr als 100 Fachleute und Gewerkschafter am vergangenen Freitag und Samstag in Berlin zusammen. Eingeladen hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die damit knapp einen Monat vor der Bundestagswahl auf die Bildungsmisere in Deutschland aufmerksam machen wollte.

Die Gewerkschaft ver.di drängt auf eine umfassende Bildungsreform. Deshalb sollte die Tagung im Gebäude der ver.di-Bundesverwaltung noch einmal die wichtigsten gewerkschaftlichen Positionen zu »Bildung und Bildungsfinanzierung« deutlich machen. Petra Gerstenkorn, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, nannte in ihrer Begrüßungsrede am Freitag nur einige Stichworte: die berufliche Ausbildung sei extrem konjunkturabhängig und von der Durchlässigkeit des Bildungssystems könne in Deutschland ebenso wenig die Rede sein, wie von der Integration von Behinderten. Obwohl diese Kritik auch von internationalen Organisationen zu hören sei, lasse eine umfassenden Bildungsreform auf sich warten, so Gerstenkorn. zudem fehle es in Deutschland an Kindertagesstätten und Studienplätzen.

Auf der Tagung machten verschiedene Referenten deutlich: Es besteht Reformbedarf in allen Bereichen – von der frühkindlichen Erziehung über die Schulbildung, dem Studium bis zur Erwachsenenbildung. Tageseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren gibt es in ausreichender Zahl nur in den ostdeutschen Bundesländern, und auch der Ganztagsbetrieb für über 3-Jährige ist nur dort in qualitativer Hinsicht gewährleistet. Daher gehört die bessere berufliche Qualifikation der Beschäftigten von Kindertageseinrichtungen ebenso zu den Forderungen der Gewerkschaft wie der Ausbau der Gemeinschaftsschule mit kleineren Klassen, eine verbesserte Lehrerausbildung und die Einstellung von mehr Sozialpädagogen.

Auch die überbetriebliche Ausbildung soll nach den Vorstellungen von ver.di verbessert werden. Studiengebühren lehnen die Gewerkschafter strikt ab, da sie dem Ziel einer Bildung für Alle entgegenstehen. Wo sie bereits eingeführt wurden, sollen sie wieder abgeschafft werden.

In Zeiten leerer Kassen, steht natürlich jede Reform unter Finanzierungsvorbehalt. Bernhard Nagel von der Universität Kassel beziffert die Kosten der ver.di-Forderungen auf ca. 40 Milliarden Euro, die vor allem durch eine stärkere Besteuerung von Vermögen und Finanztransaktionen aufgebracht werden könnten. Nach Meinung von Nagel fehlt nicht das Geld sondern der politische Wille für eine Bildungsreform. Das sei bei der Bankenrettung anders gewesen. »Dabei ist die IKB nicht systemrelevant, Bildung hingegen sehr wohl«, erklärte Nagel unter großem Applaus.

Auch mit seiner Ablehnung einer Schuldenbremse im Grundgesetz sowie des mit der Föderalismusreform eingeführten Kooperationsverbotes, das dem Bund verbietet, Länder finanziell zu unterstützen, stieß Nagel auf der Tagung auf große Zustimmung. »Mit dem Kooperationsverbot haben wir uns dazu selber Steine in den Weg gelegt. Daher gehört es lieber heute als morgen abgeschafft«, kritisierte Petra Gerstenkorn. Erstaunlich: Während der Podiumsdiskussion zum Thema wollte keiner der anwesenden Politiker das Kooperationsverbot verteidigen.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Cornelia Pieper bekannte, dass sie dagegen gestimmt habe, aber in ihrer Partei in der Minderheit sei. Auch mit ihrem Lob für die Fachhochschulausbildung für DDR-Erzieher dürfte die in Halle geborene Politikerin innerhalb der FDP keine Mehrheitsmeinung vertreten. Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters kritisierte das Kooperationsverbot im Föderalismusgesetz. Die grüne Bundestagsabgeordnete Priska Hinz fragte, wieso das Kooperationsverbot bei der starken Kritik mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag beschossen werden konnte. Der SPD-Parlamentarier Ernst-Dieter-Rossmann und die Magdeburger Stadträtin der LINKEN Rosemarie Hein stellten sich hinter die Reformpläne von ver.di.

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