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Den Staat tragende Kunst

Pariser Kulturpolitik

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.

Charles de Gaulle, der 1958 auf dem Höhepunkt einer ernsten innenpolitischen Krise aus seiner inneren Emigration geholt und zum Staatspräsidenten mit weitreichenden Vollmachten wurde, wusste um die staatstragende Rolle der Kultur für die »Grande Nation«. Darum hat er 1959 sofort zugestimmt, als sein Freund André Malraux die Bildung eines Kulturministeriums anregte. Der Schriftsteller wurde auch gleich der erste Minister und konnte so diesem neuen Amt seinen Stempel aufdrücken. Nach Malraux amtierten fast nur noch Politiker als Kulturminister, doch im Juni dieses Jahres konnte Präsident Nicolas Sarkozy mit dem anerkannten Filmemacher, Regisseur und Schriftsteller Frédéric Mitterrand wieder einen Künstler für dieses Amt gewinnen – und noch dazu einen linken. Der Neffe des ehemaligen sozialistischen Präsidenten kann so zur »Wiederannäherung von Kultur und Macht« beitragen, wie er es selbst formuliert.

Das ist auch bitter nötig. André Malraux verstand Kultur als »Antwort der Kräfte des Geistes auf die Kräfte der Nacht«. Das Ministerium vergab Staatsaufträge, etwa an Künstler wie Chagall, der die Decke der Pariser Oper neu und im bewussten Kontrast zum Neoba-rock-Stil des Saals ausgemalt hat. Auf Malraux geht auch die Initiative zurück, mit Sandstrahlgebläsen die abgasverrußten Fassaden aller kulturhistorisch wertvollen Gebäude in Paris zu reinigen, was inzwischen zur gesetzlichen Verpflichtung geworden ist und was sich viele Hauptstädte der Welt zum Vorbild nahmen.

Die Grundhaltung, dass Kultur den Menschen etwas bringen und vermitteln soll, musste inzwischen einer eher »buchhalterischen« Einstellung weichen, die zuallererst danach fragt, ob sich der Aufwand lohnt. In den letzten Jahren konzentrierte sich das Ministerium vor allem auf die Wahrung des Kulturerbes und die Mobilisierung von Sponsorengeldern dafür. Dieser Trend zur Kommerzialisierung geht so weit, dass selbst der ehemalige Kulturminister und heutige Direktor des Schlossmuseums von Versailles, Jean-Jacques Aillagon, kürzlich in einem Zeitungsinterview provokativ-zugespitzt vorgeschlagen hat, das Kulturministerium abzuschaffen.

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