Dank an das Leben

Zum Tod der argentinischen Sängerin Mercedes Sosa

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Fito Paéz, Argentiniens erfolgreichem Liedermacher, war es vorbehalten, als einer der letzten mit Mercedes Sosa zu arbeiten. Für ihn war La Negra Sosa, wie die charismatische Sängerin wegen ihrer tiefen, vollen Stimme genannt wurde, nicht nur »die beste Sängerin Argentiniens, sondern die Stimme Lateinamerikas«. Die ist nun verstummt. Am frühen Sonntagmorgen hörte das Herz der 74-Jährigen zu schlagen auf.

Mercedes Sosa war Argentiniens mahnende Stimme für eine würdevolle Welt, in der auch die Ärmsten Anspruch auf ein Dach über dem Kopf, auf Bildung, Ernährung und Teilhabe am ökonomischen und kulturellen Leben haben sollten. »Man muss die Menschen in die Lage versetzen, etwas aus sich zu machen«, war einer der Sätze, die sie nicht müde wurde, Politikern ins Stammbuch zu schreiben. Auch im Auftrag der Vereinten Nationen, für deren Kinderhilfswerk sie als Botschafterin in Lateinamerika und der Karibik unterwegs war. Für Mercedes Sosa eine Selbstverständlichkeit, denn sie stammte aus einfachen Verhältnissen und war zutiefst solidarisch.

Als 15-Jährige trat sie unter einem Pseudonym bei einem Radiowettbewerb in ihrer Heimatstadt San Miguel de Tucumán auf. Prompt gewann das Mädchen mit der ungewöhnlich dunklen und vollen Stimme den Contest und damit zwei Monate Mitarbeit vor und hinter dem Mikrofon in der Redaktion. Ihre Stimme zog die Menschen schon damals in ihren Bann, doch erst an der Seite ihres späteren Ehemanns, des Komponisten und Sängers Manuel Oscar Mathus, nahm die Karriere von Mercedes Sosa Fahrt auf. 1965 nahmen die Beiden die Platte »Canciones con fundamento« auf. Zwei Jahre später unterschrieb Mercedes Sosa ihren ersten großen Plattenvertrag und wurde zur Gallionsfigur des Nueva Canción. Das neue folkloristische Genre Lateinamerikas, auch als Canto popular bekannt, sollte nicht nur traditionelle Liedformen bewahren, es artikulierte sich auch politisch.

Der Kreis von Künstlern und Intellektuellen, dem Mercedes Sosa angehörte, war den Militärs und den Konservativen schnell ein Dorn im Auge. Folgerichtig erhielt La Negra Sosa nach dem Militärputsch 1976 Auftrittsverbot. Doch die Sängerin mit dem kommunistischen Parteibuch kümmerte sich nicht darum, bis sie 1979 von der Bühne weg verhaftet wurde. Daraufhin ging sie über Paris ins Exil nach Madrid, wurde zu einem der ersten Stars der noch in den Windeln liegenden Weltmusikszene und zur wortgewaltigen Kritikerin der Diktatur. Eine Tatsache, die sie in Argentinien zu einer moralischen Autorität hat werden lassen.

Ein klingendes Abschiedsgeschenk hat die Künstlerin, die rund 40 Alben einspielte, ihren Fans hinterlassen – »Canora«. So heißt die letzte Platte, die sie vor rund 18 Monaten in Buenos Aires einspielte und zu der sie zahlreiche Gleichgesinnte einlud. Stars wie Shakira, Daniela Mercury oder Charly García sind darauf im Duett mit der Diva de Canto Popular zu hören. Ihr wohl populärstes Stück fehlt leider: »Gracias a la vida«. Der Klassiker aus der Feder der Chilenin Violetta Parra war Mercedes Sosas Lebensmotto – ihr »Dank an das Leben«.

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