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Linkspartei hält SPD auf Distanz

LINKE-Bundestagsfraktion beschließt 10-Punkte Programm / Keine Nachfolgerin für Ex-Fraktionschef Lafontaine in Sicht

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Rückzug Oskar Lafontaines vom Fraktionsvorsitz ließ beinahe vergessen, dass sich die 76 Bundestagsabgeordneten der Linkspartei am Wochenende auf ein Sofortprogramm einigten. Mit den Forderungen nach einem Rückzug aus Afghanistan, der Abschaffung von Hartz IV und der Rücknahme der Rente mit 67 will man die SPD zu einem Kurswechsel zwingen.

Das am Sonnabend im brandenburgischen Rheinsberg beschlossene »10-Punkte-Sofortprogramm« der Linksfraktion dürfte den SPD-Parteistrategen nicht gefallen. Denn bei den Genossen im Willy Brandt-Haus geht derzeit die Sorge um, man könne in eine Art »wohlfahrtsstaatlichen Überbietungswettkampf« mit der LINKEN geraten. Die Sorge scheint berechtigt. Ein Blick in das Zehn-Punkte-Papier beweist: Die LINKE bleibt ihren Wahlkampfaussagen treu. Will die SPD demnächst ihr linkes Profil schärfen, dann wird sie an den zentralen Forderungen der Linkspartei nicht vorbei kommen. »Rücknahme der Rente mit 67«, »Weg mit Hartz IV« und »Raus aus Afghanistan«: Im einstimmig beschlossenen Programm der Fraktion finden sich all jene Forderungen, die bislang bei der SPD-Führung auf strikte Ablehnung stießen.

Dementsprechend kämpferisch trat Fraktionschef Gregor Gysi am Samstagmittag vor die Presse. »Die linke Opposition geht von uns aus«, betonte der 61-Jährige. Inhaltlich könne man derzeit kaum auf Grüne und SPD zugehen, da es von beiden Parteien noch »kein Ja zu Bündnissen mit uns« gebe, so der Linkspolitiker weiter. Besonders schwierig sei eine Annäherung an die SPD, da die Partei derzeit nicht wisse, »wo sie hin will«.

Die LINKE weiß offenbar, wohin sie will. Laut Sofortprogramm will die Fraktion dem Bundestag einen »Afghanistan-Friedensvorschlag« vorlegen. Die Gelder für den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch sollten demnach besser »auf zivile Unterstützung umgewidmet werden«.

Auch sozialpolitisch setzt man eigene Akzente: Der flächendeckende Mindestlohn von 10 Euro soll im Bundestag ebenso Thema sein wie eine Stärkung des Kündigungsschutzes und die Verlängerung von Kurzarbeiter- sowie Arbeitslosengeld I. Außerdem will die LINKE im Parlament auch Hartz IV wieder zum Thema machen. Der Linksfraktion geht es um eine deutliche Erhöhung des Schonvermögens von Langzeitarbeitslosen, die Anpassung des Kinderregelsatzes sowie ein Sanktionsmoratorium, um die »Drangsalierung von Hartz IV-Beziehenden« zu stoppen. Das Sofortprogramm ist ein Ergebnis der zweitägigen Fraktionsklausur im abgelegenen »IFA-Hafendorf« am Rheinsberger See.

Die Klausur hatte am Freitag mit einem Paukenschlag begonnen. Oskar Lafontaine, zu diesem Zeitpunkt noch Fraktions- und Parteichef, erklärte vor sichtlich erstaunten Journalisten, er wolle sich nicht zur Wiederwahl als Fraktionsvorsitzender stellen. Bislang wurden sowohl Partei als auch Fraktion von einer Doppelspitze geleitet. Politische Beobachter vermuten, Lafontaine wolle einer möglichen Zusammenarbeit mit der SPD im Bundestag nicht im Wege stehen. Schließlich gilt der Ex-Sozialdemokrat vielen Genossen als rotes Tuch.

Zudem sitzt im neu gewählten 14-köpfigen Fraktionsvorstand kein Vertreter des ganz linken Flügels. Die als besonders links geltende größte Landesgruppe aus Nordrhein Westfalen ist im Fraktionsvorstand jedenfalls nicht vertreten. Das dürfte die Kooperation mit der SPD-Fraktion erleichtern. Die Wiederwahl Dagmar Enkelmanns als Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion spricht für Kontinuität.

Da man sich auf die Schnelle nicht auf Ersatz für Lafontaine einigen konnte, wird der mit großer Mehrheit im Amt bestätigte Gysi die Fraktion zunächst allein führen. Lafontaine wünscht sich als Nachfolgerin eine Frau aus den Westverbänden der Partei. Wer das sein könnte, ist noch völlig offen. Ginge es nach Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, könnte die LINKE auf so eine Doppelspitze verzichten. Gregor Gysi machte deutlich, dass sich zunächst das Frauenplenum der Partei über eine Kandidatin verständigen müsse.

Auch an der Parteispitze soll es nach dem Willen Lafontaines bei der jetzigen Doppelspitze bleiben. Neben dem Saarländer müsste eine ostdeutsche Nachfolgerin für den scheidenden Lothar Bisky gefunden werden. Somit trüge man dem Ost/West- und Geschlechter-Proporz in LINKEN Rechnung. Eigentlich sollte die Partei ab Mai 2010 ohne Doppelspitze auskommen. Die Weiterführung des dualen Parteivorsitzes würde deshalb auch eine Satzungsänderung notwendig machen, die vom nächsten Bundesparteitag in Rostock abgesegnet werden müsste.

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