Der Motor

Elke Heidenreich wird nun auch im Internet bald nicht mehr »Lesen!«

  • Lesedauer: 2 Min.

Sie hat sich als »einfache Angestellte« der Literatur bezeichnet, und sie ist auch im übertragenen Sinne eine Angestellte: der unenentwegt laufende Motor, den man nur anzustellen braucht. Den man aufdreht, wie man die Uhr aufzieht, den Strom einschaltet. Immer unter Strom. Elke Heidenreich holte Fernsehen zurück ins Hörspiel ihrer umtriebigen Aufgekratzheit, eine Elke Wortreich gleichsam. Als sie noch Talkshows moderierte (»Leute«, »live aus der Oper«), sprudelten zwischen den unterhaltsamen Provokationen, Plaudereien noch Partikel Sinn.

Elke Rieger, 1943 im hessischen Korbach geboren, studierte Germanistik, Religionswissenschaft. Eine Zeit lang war sie mit dem Schriftstelle Gert Heidenreich verheiratet, eine andere Zeit lang mit dem Autor Bernd Schroeder; der derzeitige Romanbeststeller »Alte Liebe« verbindet noch.

Sie ist Drehbuchautorin (»Unter deutschen Dächern«), Kabarettistin, Erzählerin (»Kolonien der Liebe«) und Feuilletonistin. Ihre Kolumne in der »Brigitte« hieß »Also« – es traf genau jenen Kern ihres mitteilsamen Wesens, den sie auch in Büchersendungen wie »Literaturclub« und »Lesen!« offenbarte: Was sie sagt, steht immer auf dem Sprung zum Schlusswort, zur Quintessenz, zur Unbestreitbarkeit; sie zieht gern Rechnungsstriche unter die Dinge, aber sie schafft es doch immer wieder, an einem Punkt, den man nicht festmachen kann, neugierig zu machen, zu eigener Ansicht zu provozieren. Ihre Resolutheit hat etwas Schamanenhaftes, die Intelligenz hat einen Scheuerbesen in der Hand; Durchgeistigung und Marktfrau-Instinkt gehen gemeinsam auf Beutesuche nach Wahrheit. So war schon ihre Hörfunk- und Fernseh-Metzgergattin Else Stratmann, die sie populär machte.

»Lesen!« Wichtig war, in dieser Sendung, das Ausrufezeichen. Die Katzenbeseelte (»Nero Corleone«) las – wie angestellt, wie aufgezogen. Als das ZDF ihre Wahrheiten übers Programmniveau nicht ertrug, ging sie lesend, urteilend ins Internet. Wären wir ihr bald auf dem Handy begegnet? Leben: sich ein Weltheidenreich erreden. Jetzt hat sie genug, sagte sie auf der Buchmesse. Atemholen. Lesen nicht mehr so, wie es dem Lesen kaum gebührt: im Galopp. Schwer vorstellbar: Die Abgestellte.

Hans-Dieter Schütt

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