Größter Betrugsskandal in Europas Fußball

Internationale Bande soll 200 Spiele in mindestens neun Ländern manipuliert haben / Namen von Spielern oder Vereinen noch unbekannt

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Fußball hat seinen nächsten Wettskandal. Fünf Jahre nach den Manipulationen in Deutschland durch den Schiedsrichter Robert Hoyzer informierten gestern die Ermittlungsbehörden in Bochum über 200 Spielverschiebungen in Europa im Jahr 2009. Und dabei wird es wohl nicht bleiben.

Mehrere Male schauten und lachten sich die fünf Männer auf dem Podium gegenseitig an. Jedes Mal musste aufs Neue ausgeknobelt werden, wer auf die nächste Journalistenfrage wieder die gleiche Antwort geben würde: »Zu Personen oder Vereinen geben wir keinerlei Auskunft. Das müssen Sie verstehen. Wir wollen unsere Ermittlungen nicht gefährden.«

Staatsanwaltschaft und Polizei hatten gestern nach Bochum geladen, um über ihre Ermittlungserfolge im neuesten Fußball-Wettskandal aufzuklären. Berichterstatter aus ganz Europa waren gekommen, doch Namen hörten sie nicht. Weder die der Hintermänner, noch der involvierten Spieler, Trainer, Klubs oder Schiedsrichter. Nur Zahlen. Die lassen immerhin ein Ausmaß an Manipulationen erahnen, die jene des Falls Robert Hoyzer weit übersteigen.

Der Berliner Schiedsrichter hatte 2005 zugegeben, Spiele im DFB-Pokal und der zweiten und dritten deutschen Fußballliga im Sinne der Wettmafia manipuliert zu haben. Insgesamt ging es damals um 23 Spiele. In Bochum wurde aktuell von etwa 200 Spielen gesprochen, die eine Bande in ganz Europa manipuliert oder bei denen sie es zumindest versucht habe. Allein in Deutschland sind den Ermittlern zufolge 32 Partien ab der 2. Bundesliga abwärts betroffen.

»Die Ermittlungen laufen seit Beginn des Jahres, und am Mittwoch haben wir 15 Personen in Deutschland und zwei in der Schweiz festgenommen«, berichtete Ralf Ziegler vom Polizeipräsidium Bochum, natürlich ohne Namen zu nennen. »Es gilt ja noch die Unschuldsvermutung«, sprang ihm Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek zur Seite. Zeitgleich mit den Verhaftungen seien bei über 50 Hausdurchsuchungen in sechs deutschen Bundesländern sowie der Schweiz, Österreich und Großbritannien umfangreiches Beweismaterial und mehr als eine Million Euro gesichert worden.

Es herrsche »der Verdacht auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug«, sagte Andreas Bachmann von der Staatsanwaltschaft Bochum, der ansonsten am stärksten auf die Informationsbremse trat. Er erläuterte lediglich, dass nicht nur gegen die Hintermänner ermittelt werde, die offenbar untereinander Geld verteilten, um in mehreren Ländern Beteiligte an Fußballspielen zu bestechen. Auch die involvierten Spieler und Trainer werden des Betrugs beschuldigt.

Konkret sind außer in Deutschland 17 Partien in Belgien, 28 in der Schweiz, 14 in Kroatien, sieben in Slowenien, 29 in der Türkei, 13 in Ungarn, acht in Bosnien-Herzegowina und elf in Österreich unter Manipulationsverdacht. Nur bei etwa der Hälfte seien die Spiele auch im Sinne der Bande ausgegangen, schätzte Friedhelm Althans, Polizeidirektor in Bochum. Alle Verdachtsfälle stammen lediglich aus dem Jahr 2009. Daher geht Althans davon aus, dass die Zahl der Spiele und der Beteiligten noch steigen werde: »Das ist nur die Spitze des Eisbergs.« Auch die Schätzung der von den Wettanbietern an die Bande ausgezahlten Summe von zehn Millionen Euro erhöhe sich wohl noch.

Der Sprecher des europäischen Fußballverbands UEFA, Peter Limacher, bezeichnete den Fall als größten Betrugsskandal im europäischen Fußball. Auch drei Partien der Champions League und zwölf der Europa League sind im Visier der Behörden. Da letztere erst seit Sommer existiert, ist klar, dass auch laufende Wettbewerbe betroffen sind. Limbach schloss daher Tabellenänderungen oder Wiederholungsspiele nicht aus. Natürlich nur, »wenn das die laufenden Ermittlungen nicht gefährdet«.

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