»Die Bundeswehr darf nicht Teil des Alltags werden«

Aktivistin Hanna Poddig zum Prozess gegen sie wegen Ankettungsaktion

  • Lesedauer: 3 Min.
Heute steht HANNA PODDIG in Husum vor Gericht. Im Februar 2008 hatte sie sich aus Protest gegen die Bundeswehr in Nordfriesland an die Bahnschienen angekettet. Für die Aktion erhielt sie nicht nur einen Strafbefehl über 80 Tagessätzen à 30 Euro wegen »Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe«, sondern auch den Liebe-Lütje-Preis für zivilgesellschaftliches Engagement. Weil sie den Strafbefehl nicht akzeptierte, kommt es heute ab 9 Uhr vor dem Amtsgericht Husum zur Verhandlung. HELGE BUTTKEREIT hat im Vorfeld mit der Aktivistin gesprochen.

ND: Wogegen richtete sich der Protest im Jahr 2008 konkret?
Poddig: Es ging um einen Bundeswehrtransport von einem Depot in Nordfriesland an die polnische Grenze. Wenn eine Einheit als NATO-Response-Truppe zugelassen werden will, dann muss sie unter NATO-Aufsicht ein Übungsmanöver absolvieren. Da geht es dann darum, eine Woche lang Krieg zu spielen, um quasi einen Stempel zu bekommen und in den echten Krieg ziehen zu dürfen. In diesem Rahmen fand der Transport statt.

Gab es außer der Ankettungsaktion noch weitere Proteste?
Klar, wir haben in der betreffenden Nacht noch diverse Aktionen gemacht, Sitzblockaden und ein Transparent aufgehängt. Auch in der Folge gab es noch einige Aktionen. Zunächst war uns die große Bedeutung dieses Depots gar nicht so klar.

Worin liegt die?
Es ist quasi das Zentrallager für die Auslandseinsätze der in der Region stationierten Militärs. Allein in der Protestwoche lief jeden Tag ein Schienentransport von dort. Das ist also strategisch ein wichtiger Ort. Unter anderem lagern dort diese faltbaren Krankenhäuser, eines der Vorzeigeobjekte der Bundeswehr, mit dem sie in aller Welt auftritt.

Ist Anketten nicht gefährlich?
Sicher ist es gefährlich. Ich würde es niemandem empfehlen, der noch nie vorher eine Aktion gemacht hat. Allerdings gibt es einiges an Erfahrungen damit insbesondere aus dem Anti-Atom-Widerstand. Wichtig ist, dass mehrfach abgesichert wird, dass kein Zug fährt. Die erste Handlung ist dabei, dass die Bahn angerufen wird, dass sie die Strecke sperren müssen. Als wir das im vergangenen Jahr gemacht haben, waren schon Leute von denen vor Ort.

Welche Außenwirkung soll der Prozess jetzt haben?
Er war schon im Vorfeld Anlass für Aktionen. Wir haben das Depot noch einmal besucht und dort eine kleine Kundgebung veranstaltet, Transparente an den Zaun gehängt und Flugblätter verteilt. Am Wochenende gab es eine antimilitaristische Fahrradtour zu verschiedenen Standorten der Bundeswehr in Nordfriesland, in der Stadt ist plakatiert und es wird diskutiert. Auch Straßentheater ist geplant. Wir haben schon im Sommer die Big Band der Bundeswehr begleitet, als sie in Husum spielte, denn es ist wichtig, dass die Bundeswehr nicht einfach Teil des Alltags wird. Ich glaube, dass ist uns zumindest in Husum gelungen.

Der Strafbefehl ist dezidiert unpolitisch. Wie soll er politisiert werden?
Neben der juristischen Frage, wer hier überhaupt gestört und genötigt wurde, will ich politische Anträge stellen und damit Inhalte in die Verhandlung hineintragen. Außerdem will ich versuchen, die Rolle der Gerichte darzulegen, die schließlich dafür sorgen sollen, dass alles so bleibt wie es ist. Ob das mir gelingt, ist natürlich nicht klar. Es hängt viel von dem Richter ab. Die sind schließlich Halbgötter im Gerichtssaal und können sich eigentlich alles erlauben. Ich weiß also im Vorfeld nicht, ob ich bei politischen Stellungnahmen abgewürgt werde, werde aber auf jeden Fall versuchen, mich inhaltlich einzubringen.

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