System Berlusconi baut auf die Mafia

Italien: Wechselspiel Politik – Kriminalität

  • Lesedauer: 3 Min.
In der italienischen Presse wird derzeit viel über die Verbindungen von Silvio Berlusconi zur Mafia gesprochen. Welche Verbindungen gab es, welche gibt es, ist der Regierungschef vielleicht sogar mit Hilfe des Organisierten Verbrechens an die Macht gekommen? Mit dem Publizisten und Experten für Mafia und Schattenwirtschaft ROLF UESSELER sprach darüber in Rom ANNA MALDINI.

ND: Das Verhältnis zwischen Berlusconi und Mafia ist ein medialer und politischer Dauerbrenner. Hat es je eine Verbindung zwischen dem Mailänder Unternehmer und der Cosa Nostra gegeben? Eine Verbindung, die auch bewiesen ist?
UESSELER: Die Verbindungen sind vielfältig und auch nachgewiesen. Dabei liegt der Schwerpunkt bei der sizilianischen Mafia, der Cosa Nostra. Was fehlt, sind gerichtsverwertbare Urteile, die diesen Zusammenhang bestätigen. Doch wie bekannt setzt Berlusconi ja alles daran, Gesetze zu verabschieden, die gerade das verhindern. Die Beziehungen zwischen Berlusconi und Cosa Nostra begannen Anfang der 70er Jahre, zu Beginn seiner Karriere. Die ersten Gelder, die er als Bauunternehmer akquirieren konnte, waren Gelder, die Cosa Nostra zur Geldwäsche in die Schweiz transferiert hatte. Von dort wurden sie ihm als Kredite zur Verfügung gestellt. Später, mit dem Aufbau der Firma Fininvest, in die er von der verbotenen Freimaurerloge P2 als Manager berufen wurde, flossen die Gelder über Tochterfirmen italienischer Banken direkt.

Eine Schlüsselrolle in der möglichen Beziehung zwischen Mafia und Berlusconi soll dem heutigen Senator Marcello Dell'Utri zukommen, der bereits in erster Instanz wegen Unterstützung von Cosa Nostra zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Was ist das für ein Verhältnis?
Dell'Utri, von dem in Sizilien die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass er das Bindeglied zwischen Cosa Nostra und der italienischen Politik bzw. Wirtschaft darstellt, ist seit den 70er Jahren der engste Freund Berlusconis. Mit Dell'Utris Hilfe hat er sein Firmenimperium und insbesondere seine Mediengesellschaft Mediaset aufgebaut. Dell'Utri war es auch, der Berlusconi nach dem Zusammenbruch des Parteiensystems 1993 gedrängt hatte, selbst in die Politik zu gehen. Für ihn war klar, dass andernfalls und ohne politische Rückendeckung das Firmenimperium durch die Korruptionsuntersuchungen »Saubere Hände« weggefegt worden wäre. Dell'Utri war es, der die Partei Forza Italia gegründet und aufgebaut hat, mit der Berlusconi 1994 antrat, sofort die Wahlen gewann und Ministerpräsident wurde.

Die Mafia hat also Berlusconi blind vertraut?
Die Mafia vertraut niemandem blind. Vor allem in der Anfangsphase, um genau zu sein Anfang der 80er Jahre, schickte Cosa Nostra einen ihrer Bosse – Vittorio Mangano – nach Mailand, um als Angestellter in der Villa von Berlusconi eine Aufpasserrolle zu übernehmen. Bekannt ist auch, dass Cosa Nostra als Druckmittel Berlusconi mit der Entführung seiner Kinder gedroht hat. In »guter, alter Mafia-Manier« hat Berlusconi diesen Fakt später benutzt, um sich in der Öffentlichkeit als Opfer der Organisierten Kriminalität darzustellen.

Welche Nutzen haben die Mafia auf der einen und Berlusconi auf der anderen Seite aus dieser Verbindung gezogen?
Der augenfälligste Fakt ist, dass Cosa Nostra wieder unangefochten Sizilien regiert, was sich unter anderem darin zeigt, dass es auf der Insel keinen einzigen Abgeordneten gibt, der nicht der Berlusconi-Partei angehört. Alle wichtigen Machthebel in Wirtschaft und Politik sind in Sizilien in der Hand dieser Gruppe. Die stärkste Stütze der politischen Macht Berlusconis ist der Süden Italiens, wo die organisierten Verbrechergruppen für die Wählerstimmen sorgen. Ein weiterer Vorteil ist, dass in das Firmenimperium, das Berlusconi verwaltet, immer wieder frische, illegale bzw. weiß gewaschene Gelder fließen. Dieses Geld verschafft ihm den entscheidenden Konkurrenzvorteil.

Sind Sie der Meinung, dass die Organisierte Kriminalität auch heute noch Berlusconis Regierungstätigkeit beeinflusst?
Ohne dieses äußerst komplexe Wechselspiel zwischen der Mafia und der gegenwärtigen politischen Mehrheit in Italien wäre Berlusconi als Ministerpräsident nicht überlebensfähig.

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